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Mehr Freiheit für alle

Autor: Harald Kother

Ein bedingungsloses Grundeinkommen verhindert nicht nur wirkungsvoll Armut. Es würde Menschen ermutigen, mehr denn je ihr Schicksal selbst in die Hand zu nehmen und dazu beitragen, den Gründer- und Innovationsgeist zu stärken.

Die Idee des bedingungslosen Grundeinkommens ist einfach

Jeder Mensch bekommt monatlich vom Staat einen pauschalen Geldbetrag zur Verfügung gestellt. Dieser Betrag ist so bemessen, dass er kein Leben in Luxus, aber die Befriedigung der Grundbedürfnisse und eine würdevolle Teilhabe am gesellschaftlichen Leben ermöglicht. Als Gegenleistung fordert der Staat: nichts! Alle Sanktionen der Hartz-IV-Gesetzgebung werden abgeschafft.

“Wer soll das bezahlen?”, lautet das häufigste Gegenargument. Doch dieses Argument läuft ins Leere. Denn de facto ist das Grundeinkommen schon so gut wie bezahlt. Ein bedingungsloses Grundeinkommen würde nämlich einen Großteil der derzeit bestehenden Sozial- und Transferleistungen ersetzen – nicht nur Hartz IV, sondern beispielsweise auch das BAföG, die Grundsicherung bei der Rente oder das Kindergeld. Dass sich ein Grundeinkommen problemlos umsetzen ließe, hat unter anderem Prof. Straubhaar vom Hamburgischen WeltWirtschaftsInstitut nachgerechnet: Ein bescheidener Betrag von 600 Euro monatlich ließe sich sogar ohne Steuer- und Abgabenerhöhungen finanzieren. Davon profitieren nicht nur diejenigen, die kein eigenes Einkommen haben und die deswegen auf Transferleistungen angewiesen sind.

Es profitieren insbesondere all die, die nur ein vergleichsweise geringes Einkommen erzielen: Alleinerziehende, Menschen, die einen Angehörigen pflegen, die meisten Existenzgründer und die vielen, die in Berufen und Branchen arbeiten, in denen beschämend niedrige Löhne längst zum Alltag gehören. Armut wäre damit weitestgehend abgeschafft.

Doch das Grundeinkommen schafft nicht nur ein Mehr an sozialer Gerechtigkeit. Es schafft auch ein Mehr an Leistungsgerechtigkeit: Denn anders als bei der gegenwärtigen Hartz-IV-Gesetzgebung gäbe es keine absurden Zuverdienstgrenzen mehr. Arbeit lohnt sich daher bei einem Grundeinkommen immer ab dem ersten selbst verdienten Euro. Und mehr Arbeit lohnt sich erst recht.

Vor allem aber ermöglicht ein Grundeinkommen mehr Freiheit

Denn dadurch, dass es bedingungslos ausgezahlt wird, entfällt der durch die Hartz-IV-Gesetze de facto bestehende Arbeitszwang. Die Folge: Niemand müsste mehr miserable Arbeitsbedingungen bei schlechten Löhnen akzeptieren. Der Ruf nach einem Mindestlohn wäre von jetzt auf nachher überflüssig. Denn wer ein existenzsicherndes Grundeinkommen hat, der kann selbst entscheiden, wo sein persönlicher Mindestlohn liegt – und auf Augenhöhe mit dem Chef verhandeln. Ausbeuterische Arbeitsverhältnisse hätten so keine Chance mehr.

Ein Grundeinkommen würde dadurch einen dringend nötigen Wandel des gesellschaftlichen Klimas ermöglichen: Vielerorts bestimmen Existenzängste und die Sorge um die Sicherheit des Arbeitsplatzes das Denken. Wie tief verwurzelt diese Ängste in der Seele der Deutschen sitzen, kann man den Umfragen entnehmen, laut derer die meisten jungen Menschen davon träumen, einen sozialversicherungspflichtigen Arbeitsplatz zu erhalten – und nicht etwa Unternehmer und damit Chef zu werden. Kreative und innovative Ideen für Unternehmensgründungen und damit auch neue, zukunftssichere Arbeitsplätze erhalten so oftmals keinerlei Chance auf Verwirklichung. Für ein Land, das einzig und allein von Ideen und vom Know-how lebt, wird das zunehmend zum Entwicklungshemmnis. Doch es ist nicht nur die Angst vor dem Scheitern, die Gründungen schon im Ansatz verhindert: Zu viele Menschen können sich die Durststrecke während der Gründungsphase schlichtweg nicht leisten. Daher gilt: Das Grundeinkommen würde einen völlig neuartigen und nachhaltigen Gründergeist erst ermöglichen. Dazu gehört auch die Möglichkeit, sich ständig weiterbilden zu können. Auch dafür würde ein Grundeinkommen eine Basis schaffen.

Gerade in der entstehenden Wissensgesellschaft ist ein ununterbrochenes sozialversicherungspflichtiges Arbeitsverhältnis nicht mehr die Regel. Umso wichtiger ist es, den Sozialstaat weiterzuentwickeln: hin zu einem bedingungslosen Grundeinkommen, das den Tüchtigen belohnt, Innovationsgeist fördert und dabei in der sich immer rasanter verändernden Gesellschaft niemanden links liegen lässt.

Work harder
Arbeitsethik – eine gewachsene soziale Praxis

Autorin: Katja Ansen

Obwohl bereits jetzt rund 40% der Menschen in Deutschland Transferleistungen beziehen, dominiert die Vorstellung, sich einen Platz in der Gesellschaft verdienen zu müssen. Fest verankert ist die Idee von „seiner eigenen Hände Arbeit“ zu leben. Dass dieses Konzept im Widerspruch zu den tatsächlich gelebten Verhältnissen steht, ändert nichts am Ideal. Trotz Arbeitsplatzverknappung bleibt der Ausspruch populär: „Wer nicht arbeitet, soll auch nicht essen.“

Doch woher kommt diese Vorstellung von Arbeit? Naturgegeben ist unser Arbeitsverständnis nicht. Wenn Tiere satt und versorgt sind, machen sie schließlich auch Feierabend. Menschen arbeiten „auch bei mörderischer Hitze und selbst mit vollem Bauch, aus dem doch jeder anständige Affe das Recht auf totale Faulheit abgeleitet“ hätte.1 Das war nicht immer so. In der griechischen Antike war die Vorstellung abwegig, um der Arbeit willen zu arbeiten. Lohnarbeit galt als unfrei und würdelos.

Die ideologische Aufladung der Arbeit ist ein modernes Phänomen. Erst im Zuge der protestantischen Ethik sickerte das Konzept in den Alltag der breiten Masse ein. Bis dahin blieb das asketische Ideal des Bedürfnisaufschubs und der harten Arbeit noch wenigen Mönchen vorbehalten. Der protestantische Moralkodex erhielt seine Durchschlagkraft, weil auch Politik und Philosophie die Idee untermauerten. Demokratisch-liberale Strömungen griffen den neuen Arbeitsbegriff auf, um sich vom Standesdenken zu emanzipieren. Nicht durch Geburtsrechte, sondern durch eigene Arbeitsleistung solle man sich seine Position im Leben erarbeiten. Dieser politische Ansatz wurde von Philosophen wie Hegel oder Kant weiter veredelt. Sie werteten die Arbeit als Mittel zur rechten Lebensführung auf.2

Die aufblühende Industrielandschaft griff die neue Arbeitsmoral dankbar auf. Mit einer Kombination aus moralischem und ökonomischem Druck machten sie aus Bürgern Arbeitskräfte. Da eine Industrie nie fertig ist mit Produzieren, sollten es die Menschen auch nie sein. Entsprechend wurde die Entlohnung derart niedrig angesetzt, dass kontinuierliche Arbeit unvermeidlich wurde. Zugleich nahm die Stigmatisierung und Verfolgung von Armen und Erwerbslosen zu. Bettler wurden verfolgt, Arbeitslager etabliert, Disziplin in Tretmühlen erzwungen.3 Die Standardisierung menschlicher Arbeit wurde im Zuge der Industrialisierung immer weiter perfektioniert, bis der Mensch selbst nur noch ein Rädchen im System war. Aus der Freiheit des Einzelnen wurde die Freiheit für Industrie und Produktionsstätten.

Aber, mag mancher einwenden, steht denn nicht schon in der Bibel „Wer nicht arbeiten will, soll auch nicht essen“? Dieser Ausspruch richtete sich an eine ganz bestimmte Gemeinde in einer besonderen Ausnahmesituation. Ein allgemeiner Grundsatz wurde hier nicht formuliert. Übrigens heißt es im gleichen Abschnitt auch: „Nicht als hätten wir keinen Anspruch auf Unterhalt.“4

Es bleibt festzuhalten, dass unser Verständnis von Arbeit ein gewachsenes Phänomen ist, das auch anders gestaltet werden könnte. Der Blick in andere Kulturen zeigt, dass es auch heutzutage alternative Arbeitsauffassungen gibt. So glaubt der Stamm der Kapauku (Neuguinea) daran, dass es Unglück bringt, an zwei aufeinander folgenden Tagen zu arbeiten. In anderen Gesellschaften gilt es heute noch als fragwürdig, sich von Fremden anstellen zu lassen. Ebenso unterschiedlich ist die Ausgestaltung der Arbeitszeit. Während in den USA 20% der Arbeitszeit mit dem Ausbau und der Pflege von sozialen Kontakten verbracht wird, sind es in Nepal und Indien durchschnittlich 50%.5 Das Problem ist nicht, dass unsere Arbeitsauffassung unabänderlich ist, sondern, dass wir sie dafür halten.


Einen ausführlichen Text von Katja Ansen zur Geschichte der Arbeitsethik und eine dazugehörige PowerPoint-Präsentation finden Sie hier:

Wie kommt die Ethik in die Arbeit (pdf)

Arbeitsethik-PowerPointPräsentation 2010 (pdf)


1 Schneider, Wolf: Glück! Eine etwas andere Gebrauchsanleitung. Reinbek bei Hamburg, 2007. S. 180.

2 Vgl. Koslowski, Peter: „Überarbeitete und Beschäftigungslose. Sinnverlust der Arbeit durch Übergeschäftigkeit und Unterbeschäftigung.“ In: Hoffmann, Hilmar; Kramer, Dieter (Hg.) Arbeit ohne Sinn? Sinn ohne Arbeit. Über die Zukunft der Arbeitsgesellschaft. Weinheim, 1994. S. 120 – 132

3 Vgl. Gronemeyer, Reimer (Hg.): Der faule Neger. Vom weißen Kreuzzug gegen den schwarzen Müßiggang. Reinbek bei Hamburg, 1991

4 2. Brief des Paulus an die Thessalonicher, (Kap. 3.9/3.10). Vgl. auch die Erläuterung von Helgo Klatt.

5 Eylert, Sabine; Bertels, Ursula; Tewes, Ursula (Hg.): Von Arbeit und Menschen. Überraschende Einblicke in das Arbeitsleben fremder Kulturen. Münster, 2000

Gemeinsam stark
Grundeinkommen bei Vollbeschäftigung?

Autorin: Christine Ax

Ob es uns gefällt oder nicht: Wer das Grundeinkommen möchte, muss ich auch mit der Entwicklung der Arbeitsmärkte beschäftigen.
Warum? Viel zu sehr beruht die Argumentation der Freunde des Grundeinkommens auf der Annahme, dass wir dauerhaft keine Vollbeschäftigung haben werden. Vor gar nicht allzu langer Zeit hätte ich diese These unterstrichen. Inzwischen bin ich skeptisch. Denn die Wahrscheinlichkeit wächst, dass wir zumindest in Deutschland in Zukunft einen Fachkräftemangel haben werden und wohl auch sinkende Arbeitslosenzahlen – die Betonung liegt auf FACHKRÄFTEN. Immer mehr Unternehmen stellen ältere Menschen ein, begeben sich auf den Pfad der Integration, und die Bildungsanstrengungen wachsen.
 
Ein weiterer Aspekt macht mich nachdenklich: Steigende Energie- und Rohstoffpreise sorgen in Verbindung mit Rahmenbedingungen, die Niedriglöhne zulassen (fehlendes Mindesteinkommen) dazu, dass die Wettbewerbsfähigkeit des Faktors Arbeit steigen wird und Energie und Rohstoffknappheiten substituiert. Die Rahmenbedingungen verschieben sich in Richtung “mehr Nachfrage nach menschlicher Arbeit”. Ganz zentral ist in diesem Zusammenhang die Frage: “Wie bezahlt?”.

Für mich heißt das: Wir müssen in Sachen Grundeinkommen und seine politische Durchsetzbarkeit differenzierter argumentieren. Und bevor sich jetzt irgendwelche Leute den falschen Gegner suchen: Ich argumentiere nicht gegen das Grundeinkommen. Wohl aber für eine andere Argumentation für das Grundeinkommen bzw. für eine andere Argumentation gegenüber den Gegnern des Grundeinkommens.
 
Spannend finde ich, dass Althaus in Sachen BGE am Ball bleibt. Was mir an dem Althaus-Vorschlag gefällt, ist: Die Forderung nach dem Grundeinkommen in Gestalt eines Bürgergeldes beruht auf der Idee einer großen Sozialstaatsreform und der damit verbundenen VEREINFACHUNG. Mit der Betonung dieses Aspektes kann das BGE viele neue Freunde finden. Was die Höhe angeht: In Verbindung mit Wohnkostenzuschüssen ist es der Anfang vom Ausstieg aus der “Arbeitszwanggesellschaft”. Althaus und seine Freunde argumentieren mit monetären Anreizsystemen, was marktkonform ist. (Die Regierungspolitik in Sachen Hartz IV ist in diesem Punkt nicht konsistent: Würde die CDU tatsächlich annehmen, dass Geld ein Anreiz ist erwerbstätig zu werden, dann wären die Zuverdienstmöglichkeiten anders geregelt.) Aber auch an dieser Stelle ist die Frage nach Mindestlohn ein Schlüssel um die Rolltreppe nach unten zu stoppen. Denn dass Hartz IV und das Grundeinkommen im Kontext des durchschnittlichen Lohnniveaus – insbesondere im so genannten Niedriglohnsektor – diskutiert werden müssen, ist meiner Meinung nach zwingend.
 
Daraus ergibt sich nicht nur eine Chance für die Zusammenarbeit mit den Gewerkschaften und der SPD. Es gibt weitere Gründe: Vom Lohnniveau hängt auch ab, wie viel gute Arbeit wir uns in Zukunft gegenseitig abkaufen können. Eine Rückkehr in die Subsistenzwirtschaft halte ich für nicht sinnvoll und wenig attraktiv, und ich bin bekanntermaßen eher ein Fan von “guter Arbeit” – von Tätigkeiten und Produkten, die uns der Mühe wert sind. Denn die Mühe, die ich mir mit meiner Arbeit und der Qualität eines Produktes gebe, hat einen Wert und ist der Maßstab, an dem sich alle Produkte und ihre Qualität messen lassen müssen. Wir sollten überhaupt nur Dinge kaufen und nutzen, die ihren Produzenten sehr viel Mühe wert waren und die uns selber später auch der Mühe des Gebrauchs und des Erhalts wert sind.

Zurück zum Bürgergeld. Im Moment denke ich: Selbst ein Althaus-Bürgergeld wäre in Verbindung mit Mindestlöhnen angesichts der aktuellen Arbeitsmarktentwicklungen ein großer Fortschritt. Bleibt aber immer noch die ökologische Frage, die am Stellenwert von Konsum hängt und an der Notwendigkeit Alternativen aufzubauen, die ökologisch, sozial und attraktiv sind: Gute Arbeit.

Informationen zum “Solidarischen Bürgergeld” gibt es hier.

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