Müsste ein Grundeinkommen weltweit eingeführt werden, oder geht es auch in einem Land allein?
Unsere grundsätzlichen Argumente für ein bedingungsloses Grundeinkommen sprechen sehr stark dafür, dass eine weltweite Einführung das Ziel sein müsste. Wenn wir uns auf Menschenrechte beziehen, können wir sie nicht nur denen zugestehen, die einen deutschen Pass oder einen deutschen Aufenthaltstitel haben. Das Argument, dass der Boden und die natürlichen Ressourcen allen gehören, muss sich konsequenterweise auf die gesamte Menschheit beziehen: Die Natur kennt keine Staatsgrenzen. Das Wissen, das im Laufe vieler Generationen gewachsen ist, hat sich im Austausch über alle Grenzen hinweg entwickelt. Es kann deshalb nicht das zivilisatorische Erbe einer Nation sein, das allen ihren legalen Einwohnern gehört. Es ist das zivilisatorische Erbe der gesamten Menschheit, auf das jeder Mensch einen legitimen Anspruch hat.
Allerdings wollen wir nicht nur von wünschenswerten Idealzielen träumen, sondern darauf hinwirken, dass ein Grundeinkommen Realität wird, und das nicht erst in ferner Zukunft. Die weltweit gleichzeitige Einführung eines Grundeinkommens wäre vollkommen illusorisch. Für eine Einführung auf der Ebene eines Nationalstaats wie Deutschland stehen die Chancen schon wesentlich besser. Das heißt nicht, dass das Grundeinkommen auf dieses Land beschränkt bleiben soll. Wenn ein Staat ein bedingungsloses Grundeinkommen einführt und vormacht, dass ein solches System gut funktionieren kann, wird das in anderen Ländern den Diskussionen um das Thema Auftrieb verleihen. Es ist nicht unwahrscheinlich, dass im Falle einer erfolgreichen Einführung auf nationalstaatlicher Ebene bald andere Staaten nachziehen.
Eine interessante Option wäre natürlich auch die gemeinsame Einführung eines Grundeinkommens durch die Mitgliedsstaaten der Europäischen Union. Auch das dürfte jedoch nicht einfach durchzusetzen sein. Wenn es uns mit dem Grundeinkommen ernst ist, sollten wir dann, wenn sich in einem Staat eine Mehrheit abzeichnet, auf eine zügige Umsetzung auf nationalstaatlicher Ebene drängen. Bei der Wahl eines intelligenten Finanzierungsmodells beeinträchtigt die Einführung eines Grundeinkommens die außenwirtschaftliche Position des Landes nicht. Die Auswirkungen auf Migrationsbewegungen werden sich ebenfalls in einem kontrollierbaren Rahmen halten. Solange wir den Anspruch auf Grundeinkommen an den legalen Aufenthalt im Land knüpfen und wir nicht allen einen Aufenthaltstitel zugestehen, werden wir der universellen, humanistischen Idee des Grundeinkommens nicht in vollem Umfang gerecht. Dennoch wäre es ein Schritt in die richtige Richtung, auf dessen Grundlage wir für weitere Verbesserungen streiten können.
Auswirkungen auf die Wirtschaft
Auswirkungen auf Einwanderung
Kann ein existenzsicherndes Grundeinkommen auf einen Schlag eingeführt werden, oder brauchen wir Übergangsschritte?
Es gibt gewichtige Gründe, ein Grundeinkommen nicht auf einen Schlag, sondern in mehreren Schritten einzuführen:
– Die wenigsten Menschen würden sich nach der Einführung eines bedingungslosen Grundeinkommens dauerhaft zur Ruhe setzen. Würde ein existenzsicherndes Grundeinkommen auf einen Schlag eingeführt, bestünde jedoch die Gefahr, dass zu viele Menschen, die mit ihrer bisherigen Arbeit unzufrieden sind, sich gleichzeitig erst einmal eine Auszeit nehmen. Auf längere Sicht würden Neugestaltungen der Arbeitsplätze und Anpassungen der Bezahlung sicherstellen, dass die Wirtschaft am Laufen bleibt. Kurzfristig könnte es jedoch zu akutem Arbeitskräftemangel mit den Folgen von Versorgungsengpässen, Unternehmenspleiten und Steuerausfällen kommen. Diesem Szenario können wir sehr gut vorbeugen, wenn wir zunächst ein partielles Grundeinkommen in nicht existenzsichernder Höhe einführen, das auf Antrag durch weitere, nicht bedingungslose Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts ergänzt wird. In der Folge können wir das bedingungslose Grundeinkommen in kleinen Schritten erhöhen und die Zusatzleistungen im gleichen Umfang absenken. Auch in diesem Fall werden manche Menschen ihren Arbeitsplatz kündigen und einige von ihnen für eine gewisse Zeit ganz pausieren. Diese Kündigungen und Auszeiten werden jedoch zeitversetzt auftreten, so dass die wirtschaftlichen Anpassungen nach und nach erfolgen und deshalb einfacher ablaufen können.
– Weil sich die wirtschaftlichen Veränderungen nicht genau vorausberechnen lassen, können wir im Vorfeld nicht sicher ermitteln, welche genauen Steuersätze die Finanzierung eines Grundeinkommens in einer bestimmten Höhe erfordert. Eine Einführung auf einen Schlag könnte bei einer zu optimistischen Finanzplanung ein Loch in den Staatshaushalt reißen. Im Verlauf einer schrittweisen Einführung können wir die Steuersätze hingegen unter Berücksichtigung der laufenden Erfahrungen nach und nach anpassen.
Was bedeutet die Einführung eines bedingungslosen Grundeinkommens für die Menschen, die in die gesetzliche Rentenkasse eingezahlt haben?
Wenn ein bedingungsloses Grundeinkommen auch im Alter die Lebensgrundlage sichert, ist das eine neue Grundlage für das Rentensystem. Dieses können wir vollkommen neu gestalten, wenn wir es nur noch für eine Aufstockung des Grundeinkommens brauchen. Die Rentenansprüche der Millionen von Menschen, die in das bestehende System eingezahlt haben, bleiben jedoch bestehen. Allen Rentnerinnen und Rentnern das volle Grundeinkommen zusätzlich zu ihrer vollen, nach dem jetzigen System berechneten Rente zu zahlen, wäre schwer zu finanzieren. Für dieses Problem gibt es unterschiedliche Lösungsansätze.
– Eine Senkung der Renten um den Betrag des Grundeinkommens würde keinen Rentner im Vergleich zu heute schlechter stellen, wäre aber rechtlich heikel, weil die Rentenansprüche als Eigentum geschützt sind.
– Alternativ käme in Betracht, bestehende Ansprüche in Form einer Rentenzulage in ein neu zu schaffendes Rentensystem zu integrieren – so sieht es das Konzept des „Solidarischen Bürgergelds“ vor.
– Wolfgang Strengmann-Kuhn schlägt als weitere Möglichkeit vor, zunächst das Rentensystem so zu reformieren, dass es allen Rentner_innen eine Mindestrente in Höhe des Grundeinkommens garantiert. Das Grundeinkommen selbst müsste dann nur noch als Leistung für die Teile der Bevölkerung eingeführt werden, die keine Rente beziehen.
Die politische Entscheidung zwischen diesen drei Optionen ist eine Entscheidung darüber, inwiefern die jetzigen und angehenden Rentnerinnen und Rentner durch die Einführung eines Grundeinkommens finanziell besser gestellt werden. Fest steht in jedem Fall: Wer eine niedrige Rente unterhalb des Grundeinkommensniveaus bekommt, gewinnt durch den Systemwechsel hinzu. Ein Grundeinkommen ist damit auch das effektivste Programm gegen Altersarmut.
Links zum Thema:
Solidarisches Bürgergeld
Wolfgang Strengmann-Kuhn
Finanzierung eines Grundeinkommens durch eine „Basic Income Flat Tax“ [.pdf]
Lässt sich ein so ambitioniertes Projekt wie ein bedingungsloses Grundeinkommen überhaupt durchsetzen? Wie soll das gehen?
Zunächst müssen wir die Idee des Grundeinkommens weiter bekannt machen und Menschen Anstöße geben, sich mit dem Gedanken zu befassen. Wenn wir das Grundeinkommen zu einem großen Gesprächsthema machen, werden wir immer mehr Menschen für unser Anliegen gewinnen. Wenn wir eine große Bewegung sind, kommt Politik nicht mehr an uns vorbei. Schon heute gibt es in allen Parteien Leute, die sich für ein bedingungsloses Grundeinkommen einsetzen. Mit einer starken Massenbewegung im Rücken werden sie es leichter haben, ihre Parteifreunde und Parteufreundinnen zu überzeugen, dass es sich um ein lohnendes Thema handelt, mit dem sich auch Wahlen gewinnen lassen. Ob das Grundeinkommen ein wichtiger Punkt auf der politischen Tagesordnung wird, liegt an uns. Unsere Bewegung gewinnt an Fahrt, und unsere Idee ist heute schon wesentlich bekannter, als wir Mitte der 2000-er Jahre zu träumen gewagt hätten. Wenn die Dynamik weiter zunimmt, kann es mit dem Grundeinkommen noch viel schneller gehen, als wir heute denken. Dass die Mauer im November 1989 fallen würde, hätte kurz vorher auch kaum jemand für möglich gehalten.
Redaktion: Sören Kiel
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