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Vernetzung in europa
Grundeinkommen braucht Europa, Europa braucht Grundeinkommen
Schritt für Schritt zu mehr Nachhaltigkeit und Solidarität

Vorbemerkung

Es mag hilfreich sein, den folgenden Beitrag in den Kontext der europäischen Grundeinkommensbewegung zu stellen. Bekanntlich fand im Jahr 2013 eine „Europäische Bürgerinitiative” zum Bedingungslosen Grundeinkommen statt, d.h. ein erster Versuch, die Europäische Kommission mit dieser Idee zu befassen. Nach den Regularien dieses seit 2012 in der EU etablierten Instruments direkter Demokratie wäre das auch eingetreten, wenn die Initiative innerhalb eines Jahres mehr als eine Million Unterschriften auf sich vereinigt hätte. Leider ist das so nicht gelungen – es waren am Ende etwa 300.000 Unterschriften. Doch ein anderes Ziel wurde erreicht, nämlich eine erhebliche Steigerung des europaweiten Bekanntheitsgrades der Idee des Grundeinkommens, was letztlich mehr Gewicht hat. Waren doch noch beim Start der Initiative im Januar 2013 „nur” 15 EU-Länder dabei, während ein Jahr später bereits  25 von insgesamt 28 EU-Staaten vertreten waren, darunter alle wichtigen bevölkerungsreichen Länder.

Dieses ermutigende Ergebnis führte im April 2014 dazu, dass sich in Brüssel ein „Europäisches Grundeinkommens-Netzwerk” gründete, und zwar unter der Bezeichnung „Unconditional Basic Income Europe” (U.B.I.E.). Als Zwischenglied zwischen dem globalen „Basic Income Earth Network”, das alle zwei Jahre einen „Weltkongress” durchführt (das nächste Mal 2016 in Seoul) und den diversen europaweit agierenden nationalen Netzwerken, hat es sich zum Ziel gesetzt, die mit der Europäischen Bürgerinitiative begonnene Arbeit fortzuführen. 

Der folgende Beitrag reiht sich in diese Bemühungen ein. Er versteht sich als Arbeitstext im Sinne eines “working in progress”. Erklärtes Ziel ist es, ein Konzept für die schrittweise umzusetzende Einführung eines garantierten Grundeinkommens für alle Menschen in Europa zu erarbeiten.

Die Finanzierung soll sich gemäß der hier vertretenen Position auf eine Fiskal-Reform stützen, mit der bisher erwerbsarbeits- und gewinnabhängige Steuern durch eine “Besteuerung des Konsums” bzw. durch eine an eine nachhaltige Gemeinwohlbilanz geknüpfte “Wertschöpfungssteuer” ersetzt werden. Nach Überzeugung des Autors sind Wertschöpfung und Konsum in der Tat nicht nur unverzichtbare zentrale Grundlagen jedes Wirtschaftskreislaufs, sondern auch die am ehesten geeigneten “Stellschrauben” für fiskalische Eingriffe, die nicht Partikularinteressen oder Klientelpolitik bedienen, sondern ernsthaft der Sorge ums Gemeinwohl geschuldet sind.

So geht es in diesem Beitrag um die konkrete Utopie der schrittweise umzusetzenden, europaweiten Einführung eines Grundeinkommens mittels einer Steuerreform, die im Dienste des „Gemeinwohls“ steht, und zwar ohne dass Steuerzahler mit geringen oder mittleren Einkommen mehr als bisher belastet werden. An die Stelle der bisherigen – überwiegend quantitativen – muss eine qualitative Vorstellung von Wertschöpfung und von Ökonomie insgesamt treten, zugleich mit der Perspektive einer „enkeltauglichen Zukunft“. 
Um den Wertschöpfungsprozess in diese Richtung zu lenken, sind von zwei Seiten her entsprechende Anreize zu schaffen:

– Einerseits am Beginn der Wertschöpfungskette, also bei der Entscheidung über die für die Produktion von Gütern und Dienstleistungen zu verwendenden Ressourcen, Materialien und Transportwege.

– Andererseits am Ende der Kette, bei den Kaufentscheidungen der Endkonsumenten.

– Schließlich muss sichergestellt sein, dass alle Bürgerinnen und Bürger als Konsumenten über ein ausreichendes regelmäßiges Einkommen verfügen, um überhaupt entsprechende Kaufentscheidungen treffen zu können. Konkret führt dies zu folgenden Steuerreform-Maßnahmen:

 (1) Die bisher vor allem von Großunternehmen für «legale Steuervermeidungsstrategien» genutzte Körperschaftssteuer wird durch eine an ökosoziale Kriterien geknüpfte Steuer, kurz „Wertschöpfungssteuer“, ersetzt. Die Idee knüpft am Vorschlag eines “ökologischen Grundeinkommens” von Ulrich Schachtschneider an, der dafür seinerseits auf spezifische ökologische Steuern als Finanzierungsquelle zurückgreift. (siehe: U. Schachtschneider: ”Freiheit, Gleichheit, Gelassenheit.
 Mit dem Ökologischen Grundeinkommen aus der Wachstumsfalle“, München 2014). Allerdings kommen die von ihm vorgeschlagenen Steuern zum bisherigen System hinzu, während der Charme der hier vorgeschlagenen Lösung darin liegt, dass sie “zwei Fliegen mit einer Klappe schlägt”: Statt Missbrauch der Körperschaftssteuer Förderung des Gemeinwohls. Um effektiv zu sein, setzt eine solche Steuer internationale Akzeptanz voraus; ein mittelfristiges Etappenziel wäre insoweit eine europäische Fiskalunion zur Unternehmensbesteuerung mit vergleichbaren Zielen.

(2) An die Stelle der aktuellen Mehrwertsteuer sowie aller an Erwerbsarbeit geknüpften Abgaben und Steuern tritt ferner mittelfristig eine umfassende Konsumsteuer, die entsprechend höher als die aktuelle Mehrwertsteuer anzusetzen ist. Flexible Konsumsteuertarife berücksichtigen soziale Aspekte und beeinflussen ihrerseits die Nachfrage zugunsten einer wünschenswerten ökosozialen Wertschöpfung.  

(3) Zusammen bilden beide Steuerarten die Finanzierungsvoraussetzung für ein «Garantiertes Grundeinkommen in Europa», dessen Höhe auf der Grundlage einer seriösen Machbarkeitsanalyse demokratisch zu beschließen ist.


An dieser Stelle mag die kritische Frage aufkommen: « Wozu brauchen wir ein „Europäisches Grundeinkommen“? Ist das nicht ein viel zu ehrgeiziges, kaum zu bewältigendes Projekt?  Wäre es nicht realistischer und zielführender, zunächst einmal in aller Bescheidenheit ein Grundeinkommen auf nationaler Ebene anzustreben, dem dann vielleicht eine Vorbildfunktion für andere Länder zukommen kann?

Solche auf den ersten Blick einleuchtenden kritischen Rückfragen berücksichtigen allerdings nicht, dass die sozialen und politischen Rahmenbedingungen in Europa sich gerade dramatisch verändern. Es geht eben um weit mehr als um bloße Zweifel an zu bürokratischen, sozial ungerechten oder politisch ohnmächtigen europäischen Institutionen. Mit der griechischen Krise, mit der Frage der Jugendarbeitslosigkeit in Südeuropa, mit den Stimmenzugewinnen rechtspopulistischer Parteien oder auch mit den Austritts-Drohgebärden der britischen Regierung stellt sich vielmehr grundsätzlich die Frage: Was wird aus Europa? Ist Europa noch zu retten?

Aber auch: Kann vor diesem Hintergrund die Einführung eines Grundeinkommens überhaupt noch das vordringliche politische Ziel sein? Wird das Grundeinkommen nicht vielmehr unversehens eher ein Mittel – unter anderen – zu eben diesem umfassenderen Zweck, Europa zu retten? Konkret und positiver formuliert: Kann die Perspektive eines garantierten Grundeinkommens, finanziert mittels eines europaweiten, effektiveren und gerechteren Steuersystems, vielleicht dazu beitragen, einen Ausweg aus den aktuellen europäischen Dilemmata zu weisen?

Ein Blick in die Geschichte zeigt immerhin Beispiele für die Verwirklichung von sozialen Reformideen, die den Menschen zu ihrer Zeit zunächst völlig utopisch erschienen sein dürften, deren Konsequenzen gleichwohl historische Bedeutung erlangt haben und heute nicht mehr wegzudenken sind! Wer in Europa würde sich etwa noch ein Leben ohne Krankenkasse und Sozialleistungen zurückwünschen! Braucht Europa also einen neuen Bismarck, der es verstünde, das Grundeinkommen ins Kalkül seiner Machtpolitik einzubauen? Ohne das beharrliche Engagement der den Wandel fordernden Menschen wäre freilich auch ein Bismarck kaum für seine Reformen zu motivieren gewesen. Vielleicht sollten wir deshalb doch eher auf die Menschen setzen, die nicht länger bereit sind, zum Himmel schreiende Skandale hinzunehmen.

THESEN:

Ein dreifacher gravierender „Skandal“ blockiert in der Tat derzeit eine für eine Mehrheit akzeptable Entwicklung eines sozialen, ökologischen und politischen Europa:


(1) Eine doppelte Schere zwischen Arm und Reich, die zwischen armen und reichen Menschen und die zwischen armen und reichen Ländern,

(2) Die Hilflosigkeit der politischen Entscheider angesichts realer ökonomischer und ökologischer Herausforderungen,

(3) Die Gefährdung des historisch einzigartigen europäischen Einigungsprojektes durch die für all dies verantwortliche, globale Finanzelite;

Skandal Nr.1 muss hier nicht näher belegt werden. Er springt den Menschen seit Jahr und Tag auf der Straße und aus den alltäglichen Nachrichten entgegen. Auch Skandal Nr. 2 und 3 werden immer evidenter für alle, die genau hinschauen. Im Widerspruch zur britischen Drohkulisse lautet die vierte These:

(4) Nur die Fortführung des europäischen Einigungsprojekts, verknüpft mit einem konsequenten Systemwechsel kann auf längere Sicht europaweit Frieden, Nachhaltigkeit und soziale Gerechtigkeit garantieren.


Aspekte und Perspektiven des Systemwechsels

Die Finanzmärkte – und leider zumindest auch ein Teil der Eliten aus Wirtschaft und Politik – fürchten in der Tat nichts mehr als ein starkes und solidarisches Europa, das nicht so leicht unter Druck zu setzen wäre. Die jüngste Entscheidung der EZB, die Märkte mit Milliarden zu fluten, – was den Menschen als kraftvoller Befreiungsschlag aus drohender Deflation verkauft wird -, ist in Wirklichkeit eher ein Offenbarungseid der Politik.
Die unterwirft sich damit dem Diktat der Finanzmärkte und ihrem immer gleichen Handlungsmuster, wonach mit Geld Zeit erkauft wird. Leider wird die gewonnene Zeit nicht für Strukturreformen genutzt, die Europa wieder stark machen könnten.

Eine durchaus mögliche und gebotene Alternative muss deshalb dringend das System selbst in Frage stellen: An die Stelle der von den Märkten als oberstes Ziel angestrebten „Gewinnmaximierung für wenige“, setzt dieser Weg auf die „Gemeinwohloptimierung für alle“. Wichtige dafür erforderliche Hebel liegen als Konzepte längst vor. Sie müssen „nur“ politisch gewollt werden. Es sind z.B.

– Einerseits eine „Vollgeldreform“; sie bricht mit dem Prinzip, die Kompetenz der Geldschöpfung per Kredit den privaten Banken zu überlassen. Das hoheitliche Recht der Geldschöpfung würde wieder ausschließlich einer Zentralbank oder einer anderen wirklich unabhängigen Institution (Monetative) übertragen. Nur so kann die Finanzwirtschaft an der Verfolgung ihres obersten Ziels einseitiger Gewinnmaximierung  gehindert und zugleich der Staat von seiner Schuldenlast befreit werden. Siehe dazu: www.monetative.de

– Andererseits eine Neuorientierung der Wirtschaft, z.B. an den Prinzipien der „Gemeinwohlökonomie“, die darauf abzielt, das Prinzip einer konsequenten Gemeinwohlorientierung in der Realwirtschaft umzusetzen, und zwar nicht im Sinne von „top-down“ aufgezwungenen Maßnahmen, sondern von „bottom-up“ selbstbestimmt entwickelten Reformen, die von den Unternehmen gewollt, demokratisch beschlossen und umgesetzt werden. Siehe dazu: Christian Felber: „Gemeinwohlökonomie“, Wien 2010“.

– Als weitere in dieselbe Richtung weisende Bewegungen sind z.B. zu nennen: „Mehr Demokratie“ und „Democracy International“ „Regional- bzw. Komplementärwährungen“, Postwachstumsökonomie“, „Solidarische Ökonomie“, „Commons“, ….

Der Vorschlag eines europaweit schrittweise einzuführenden Grundeinkommens mittels einer konsequent sozialökologischen Steuerreform stellt ein im Prinzip von den genannten systemischen Reformen unabhängiges Maßnahmenpaket dar, auch wenn alle die Orientierung am Gemeinwohl und viele das Ziel der Nachhaltigkeit teilen. Der hier vorgestellte Steuer-Reformvorschlag kann deshalb ergänzend zu den genannten Ansätzen oder auch unabhängig davon umgesetzt werden.

Der europaweite Steuer-Reformprozess im Überblick 

Die erste Stufe entspricht einem Vorschlag von Jean-Marc Scattolin vom „Mouvement français pour un revenu de base“, konzipiert für Frankreich, aber europaweit anwendbar und kurzfristig realisierbar: Eine fiskalische an Stelle der aktuellen beitragsbasierten Finan-zierung der Sozialleistungen würde soziale Standards sichern, ohne in die europäischen Sozialsysteme einzugreifen. Die Maßnahme könnte auf Initiative des EU-Parlaments oder der Kommission, eventuell auch durch eine Europäische Bürgerinitiative angestoßen werden. Unternehmen und Lohnempfänger würden von der Sozialbeitragspflicht entlastet. Die Sozialkosten würden alternativ durch Einnahmen aus der Mehrwertsteuer gedeckt.

In einer zweiten Stufe wäre der Vorschlag einer „Euro-Dividende“ zu nennen, den Philippe van Parijs gemacht hat. Er ist Inhaber des Hoover-Lehrstuhls für Ethik der Ökonomie und des Sozialen in Leuwen (Belgien) sowie Mitbegründer des weltweiten Grundeinkommens-Netzwerkes BIEN. Die Euro-Dividende ist eine erste überzeugende Antwort auf die Herausforderung der doppelten Armutsschere in Europa. Gemäß diesem Vorschlag würde sich eine EU-weite angemessene Erhöhung und Harmonisierung der bestehenden Mehrwertsteuersätze wie ein „Europäischer Länder-Finanzausgleich“ auswirken und die Finanzierung eines „Europäischen Sockelgrundeinkommens“ garantieren.

Die als Ersatz für die Körperschaftssteuer vorgeschlagene „Wertschöpfungssteuer“ könnte nötigenfalls bereits auf dieser Stufe als ergänzende Ressource die Finanzierung der Euro-Dividende über die Mehrwertsteuer ergänzen. Das Gleiche gilt im Prinzip für weitere mögliche Ressourcen wie eine wiedereingeführte Vermögenssteuer oder eine Trans-aktionssteuer. Bestehende Sozialsysteme würden bis zu einer Konsolidierung und Überprüfung der Maßnahme beibehalten, wären ggf. anzupassen oder umzubauen.

Für die dritte Stufe, d.h. für ein garantiertes Grundeinkommen, das ein Leben in Würde und reale gesellschaftliche Teilhabe für alle garantiert, würden zusätzlich auch Lohn- und Einkommensteuern durch die Besteuerung des Konsums ersetzt, was Im Prinzip im Wesentlichen kostenneutral erfolgen könnte und sollte. Für die Finanzierung eines solchen umfassenderen Grundeinkommens würde auf dieselben Prinzipien und Ressourcen wie vorher beim Sockelgrundeinkommen zurückgegriffen. Bestehende Sozialsysteme würden zunächst beibehalten. Behutsames Vorgehen, Schritt für Schritt, würde auch auf dieser Stufe Überprüfungen ermöglichen.

Europaweiter Reformprozess im Detail 

1. Stufe, kurzfristig: Sozialleistungen statt über Beiträge mittels Besteuerung des Konsums finanzieren

Eine moderate Erhöhung der Mehrwertsteuer für die Finanzierung der Sozial-eistungen liegt im wohlverstandenen Interesse der Bürgerinnen und Bürger, der Unternehmen und auch der Politik. Eine partielle fiskalische Finanzierung gibt es ja längst. Der immer dramatischere Verlust von Arbeitsplätzen gefährdet so nicht länger Standards sozialer Sicherung. Die gemäß aktuellem Stand für Sozialleistungen verfügbare Summe bleibt unabhängig von der Anzahl der Erwerbsarbeitsplätze in etwa konstant; Konstant bleiben, trotz mancher hartnäckiger gegenteiliger Behauptungen, auch die Preise;  die Unternehmen werden dank Wegfall der Lohnnebenkosten nämlich zunächst sogar entlastet, auch wenn dieser Umstand durch die nötige entsprechende Mehrwertsteuer-Anpassung  wieder ausgeglichen wird.

Jedes europäische Land kann dann, – gemäß seinem Vorjahresaufwand für soziale Leistungen – eine Pauschale aus Mehrwertsteuer-Einnahmen einplanen; Darüber hinaus bedarf es zunächst keiner weiteren strukturellen Änderungen. Weitere Vorteile sind: Bürgerinnen und Bürger machen europaweit positive Erfahrungen mit einem sozialen Sicherungssystem. Ein möglicher Bürokratieabbau kompensiert zusätzliche Kosten, die dadurch entstehen, dass Transferleistungen für Arbeitslose und Sozialhilfeempfänger –  die bisher keine Beitragszahler sind – anzupassen wären, um sie nicht zu sehr durch die zwangsläufig partiell erhöhte Mehrwertsteuer zu belasten.

2. Stufe, mittelfristig: 
EURO-DIVIDENDE – ein europäisches Sockelgrundeinkommen

Vor dem Hintergrund einer solchen breit angelegten positiven Erfahrung sollte es gute Chancen für die Umsetzung auch der nächsten Stufe des Reformprozesses in Richtung „Nachhaltiges und solidarisches Europa“ geben, nämlich für die Einführung des bereits erwähnten Sockelgrundeinkommens, auch „Euro-Dividende“ genannt. Es sollte ohne andere Auflagen als den Nachweis des Wohnsitzes an alle ausgezahlt werden und im Schnitt z.B. der Kaufkraft von etwa 200,- € monatlich in den reichsten Ländern entsprechen – dem Preisniveau entsprechend weniger in den ärmeren Ländern. 

Es wäre eine erste wirklich überzeugende Antwort auf die eingangs erwähnte Herausforderung der„doppelten Schere zwischen Arm und Reich“. Über eine Anpassung der Höhe der Zuwendung an andere realwirtschaftliche Faktoren in den einzelnen Ländern wäre zu diskutieren. Ebenso, nach genauer Kalkulation des erforderlichen Aufwands, über die Frage, ob Erwachsene, Jugendliche und Kinder den gleichen Betrag erhalten sollen, eventuell Kinder die Hälfte.

Der bekannte slowenische Ökonom Joze Mencinger hat die konkreten ökonomischen und fiskalischen Voraussetzungen und Auswirkungen einer Euro-Dividende im Sinne von Philippe van Parijs’ Vorschlag wissenschaftlich untersucht. Eine Zusammenfassung der Ergebnisse hat er in einem bisher unveröffentlichten Beitrag mit dem Titel:  “The Revenue side of universal basic income in EU and EMU”, auf der Internationalen Konferenz: “UBI and Social Inequality”, Maribor, 20.03.2015 vorgetragen:  Ein durchschnittliches monat-liches Sockeleinkommen von 139,- € in der EU – bzw. von 154,- € in der Eurozone – ließe sich generieren, wenn ein Betrag in der Größenordnung von 50% aller in der EU erhobenen indirekten Steuern in einem zentralen Budget zusammengeführt und dann wieder in Form einer Euro-Dividende gleichmäßig an alle Bürger der EU (bzw. der Eurozone) zurückverteilt würden.
Diese Beträge könnten an die unterschiedlichen Lebensstandards angepasst werden, so dass sich, wie auch Philippe van Parijs schätzt, ein Sockeleinkommen von ca. 200,- € in den reicheren Ländern und von ca.100,- € in den ärmsten Ländern ergäbe. Während die reicheren Länder in begrenztem Umfang zur Kasse gebeten würden – Deutschland, je nach zugrunde gelegter Annahme, für die Eurozone mit  0,44 %, bzw. für die EU mit
1,09 % des Bruttosozialprodukts – würden die ärmeren Länder von einer solchen europaweiten solidarischen Anstrengung erheblich profitieren.

Mencinger geht in seinem Beitrag nicht auf die Frage ein, inwieweit eventuell die positiven Effekte des Sockel-Grundeinkommens für einkommensschwache Bevölkerungsgruppen aufgrund zwangsläufig erhöhter Preise zumindest teilweise wieder aufgehoben würden. Dieser Bumerang-Effekt würde jedoch, wie bereits angedeutet, in dem Maße wieder abgemildert, wie der Fiskus einerseits flexible Mehrwertsteuertarife einführen und andererseits für die Finanzierung der Euro-Dividende nicht nur auf eine europaweit harmonisierte Mehrwertsteuer, sondern auch auf die erwähnte neue Wertschöpfungs-steuer zurückgreifen würde:

1. Flexible Mehrwertsteuertarife

Bei flexiblen Mehrwertsteuertarifen (z.B. Nulltarif für lebensnotwendige Güter und Dienstleistungen, hoher Tarif für Luxusgüter) würden partiell unvermeidliche Preisanstiege für einkommensschwache Bevölkerungsgruppen zumutbar bleiben. Darüber hinaus ist in Philippe van Parijs’ Vorschlag mitgedacht, dass jedes Land sein bestehendes Sozial-system zunächst einmal beibehält.  Das Sockeleinkommen würde in diesem Sinne die Leistungen aus bisherigen Sicherungssystemen ergänzen und tendenziell verbessern. 


2. Ökosoziale Wertschöpfungssteuer

Das Prinzip der Steuer ist einfach: Statt wie bisher ihre Gewinne durch Investitionen in umfangreiche Anschaffungen oder Verschiebung in Steuerparadiese „kleinzurechnen“, müssten Unternehmen im Sinne der Gemeinwohlökonomie (GWÖ) eine positive „Gemeinwohlbilanz“ vorweisen, um Steuerermäßigungen oder auch Steuerfreiheit zu erlangen.

Der Steuerermäßigungsgrad ergäbe sich direkt aus der Punktezahl der GWÖ-Bilanz. Solange – und wie wohl absehbar noch für längere Zeit – ein Großteil der Unternehmen noch nicht die Voraussetzungen einer positiven Gemeinwohlbilanz erfüllt, würden die Einnahmen aus der neuen Wertschöpfungssteuer zur Finanzierung des Sockelgrund-einkommens herangezogen. Der Vorschlag einer „Euro-Dividende“ besticht durch Einfachheit und absehbare Effizienz. 

Aus Sicht des Europäischen Grundeinkommens-Netzwerkes UBIE dürfte die Euro-Dividende, ohne bereits alle Erwartungen an ein Grundeinkommen zu erfüllen, ein Schritt in die richtige Richtung sein; sie würde vor allem den Menschen das Vertrauen in die europäischen Institutionen zurückgeben. Auch diese Maßnahme könnte durch eine Europäische Bürgerinitiative auf den Weg gebracht werden.

3. Stufe, längerfristig:
Ein Grundeinkommen für ein Leben in Würde und gesellschaftliche Teilhabe aller Menschen in Europa

Die Euro-Dividende würde die Menschen mit dem Prinzip des Grundeinkommens vertraut machen. Zusätzlich würde neu gewonnenes Vertrauen in europäische Institutionen gute Voraussetzungen schaffen, um den Reformprozess fortzusetzen. Ob dies auch bereits der optimale Zeitpunkt wäre, um ein europäisches Referendum zur Einführung eines Grund-einkommens zu fordern, das gesellschaftliche Teilhabe umfassend sichert, lässt sich noch nicht überblicken. Das weltweite Grundeinkommens-Netzwerk B.I.E.N. (Basic Income Earth Network) hat dafür folgende Mindestkriterien formuliert: Individueller Rechtsanspruch, Universalität und Bedingungslosigkeit der Zuwendung sowie deren ausreichende Höhe zur Gewährleistung eines Lebens in Würde. Neben der Wertschöpfungs- und der Konsumsteuer (die an die Stelle der Lohn- und Einkommensteuer treten würde), könnten spätestens auf dieser Stufe auch weitere fiskalische Ressourcen wie Vermögenssteuer oder Finanztransaktionssteuer, für die Finanzierung des Grundeinkommens in Betracht gezogen werden.

Wertschöpfungs- und Konsumsteuer –
Argumente pro und contra 

Ein berechtigter kritischer Einwand gegen den Vorschlag, Einkommenssteuern durch Konsumsteuern zu ersetzen, betrifft den Umstand, dass in den Unternehmensbilanzen außer Lohnsteuern und Lohnnebenkosten auch Steuern auf den Unternehmensgewinn (sog. Körperschaftssteuern) in erheblichem Umfang als „Kosten“ zu Buche schlagen. Würden mit der Abschaffung von „Einkommenssteuern“ im weitesten Sinn auch diese Steuern entfallen, würden nur die Unternehmen davon massiv profitieren. Andererseits gelingt es insbesondere großen Unternehmen gerade auch im aktuellen System, ihre Gewinne „kleinzu-rechnen“ oder auf andere Standorte zu verschieben, um die darauf in Deutschland erhobenen Steuern zu vermeiden.

Es gibt also auch aktuell keine Steuergerechtigkeit. Die Lösung des Dilemmas liegt in der bereits  erwähnten Wertschöpfungssteuer. An die Stelle des für die Staatskasse – und damit das Gemeinwohl – fatalen  „Kleinrechnens“ und « Verschiebens » von Gewinnen träte, ohne großen zusätzlichen Aufwand, mit der „Gemeinwohlbilanz“ ein effizientes, qualitatives, sozial-ökologisches Bonus-Malus-System im Dienste der Förderung nachhaltigen Wirtschaftens.
Wie bereits betont, würde eine solche Steuer ihre positive Lenkungswirkung nur unter der Voraussetzung einer konsequenten, zumindest europaweiten, am besten jedoch internationalen Reform der Unternehmensbesteuerung entfalten.

Bekanntlich ist die aktuelle Mehrwertsteuer, also die bekannteste bisherige Form der Besteuerung des Konsums, für viele Menschen ein rotes Tuch. Ihr Argument: Konsumsteuern träfen vor allem Menschen, die den größten Teil ihres Einkommens für Lebensnotwendiges ausgäben. Wenn der Staat Geld für Sozialleistungen brauche, solle er Vermögenssteuern wieder einführen oder Einkommensteuern erhöhen; damit beteilige er auch Reiche und Superreiche an der Finanzierung des Sozialstaats. Die Wiedereinführung einer Vermögenssteuer würde zwar die Reichen treffen, das damit zu erzielende Steueraufkommen würde jedoch zur Finanzierung von umfassenden Sozialleistungen nicht ausreichen. Sie kommt deshalb bestenfalls als zwar willkommene, aber eben nur ergänzende Finanzierungsquelle in Frage.

Im aktuellen System werden in den Unternehmen alle von den Mitarbeitern zu zahlenden Steuern wie auch die von den Arbeitgebern abzuführenden Sozialabgaben, ggf. weitere Lohnnebenkosten, als Unternehmenskosten in die Preise der Produkte einkalkuliert. 
Nach Umstellung auf eine entsprechend erhöhte Konsumsteuer würden all diese Kosten-bestandteile wegfallen. Ob dies dann zu der erwarteten Senkung der Netto-Preise führen wird, oder ob die steigende Konsumsteuer einen Preisanstieg auslöst, ist in einer Marktwirtschaft zwar grundsätzlich offen, weil abhängig von der Wettbewerbssituation und dem Konsumentenverhalten in der jeweiligen Branche. Andererseits: Ein Unternehmer, der sich der Marktlogik entzieht, riskiert auf seinen Waren sitzen zu bleiben, denn es gilt zugleich: Die Konkurrenz schläft nicht! 


Weitere Argumente zugunsten einer Besteuerung des Konsums statt von Einkommen

Folgende Vorteile der Konsumsteuer sind den meisten Menschen kaum bewusst:

– Förderung von kritischem Preisbewusstsein,
– Ein dadurch möglicher beträchtlicher Bürokratieabbau,
– Ein hohes Maß an Flexibilität bei Anpassung an sich ändernde Bedarfe,
Reduzierter Druck auf den Faktor Arbeit,
– Eine damit verknüpfte konstruktivere Einstellung als Steuerzahler, (weniger „schlaue Steuerfüchse“,mehr kritische, mündige Bürger“),
Wirtschaft im Dienste des Menschen, nicht umgekehrt.

Die Förderung von kritischem Preisbewusstsein
zählt dabei zu den augenfälligsten Vorteilen, werden die Menschen doch schon jetzt bei der Mehrwertsteuer, also der bereits existierenden Form der Konsumbesteuerung, mit jedem Kassenbon und jeder Rechnung – abgesehen vom genauen Zahlbetrag – auch mit Höhe und Tarif der anfallenden steuerlichen Belastung konfrontiert.

Bezüglich des möglichen Bürokratieabbaus

genügt es, an die Komplexität einer Einkommensteuererklärung zu denken, um zu begreifen, welches Ausmaß an Verwaltungsvereinfachung mit einem Verzicht auf die an die Erwerbsarbeit geknüpften Steuern und Abgaben verbunden wäre.

Auch die größere Flexibilität
von Konsumsteuern bei sich ändernden Bedarfen leuchtet unmittelbar ein, bedarf es doch lediglich eines Beschlusses zur Änderung des Steuersatzes, um die Steuer unterschiedlichen Erfordernissen anzupassen. 
Solche Flexibilität schließt zwar auch das Risiko eines Missbrauchs durch die Politik ein. 
Bei verantwortlicher Handhabung erweist sich solche Flexibilität freilich als großer Vorteil, etwa zugunsten einer passgenauen Förderung von Herstellung und Vertrieb nachhaltiger Produkte. 

Reduzierter Druck auf den Faktor Arbeit
ist schließlich einer der wichtigsten, obwohl den Menschen kaum bewussten Vorzüge der Besteuerung des Konsums gegenüber der Besteuerung jeder Art von erwerbsabhängigen Einkommen. In der Tat führt die Besteuerung der Erträge aus lohnabhängiger Arbeit dazu, dass die Unternehmen alle nur erdenklichen Wege und Schleichwege „legaler Steuerflucht“ ausschöpfen, um kostenintensive Vollzeitbeschäftigung einzusparen  (z.B. mittels Rationalisierung, Standortverlagerung in Billiglohnländer!).

Das heizt zugleich den Druck auf den Faktor Arbeit – und damit den Wachstumswahn – ständig weiter an. Mit der Konsumsteuer gäbe es dagegen weniger Druck und keine zusätzlichen Anreize dafür, um jeden Preis Arbeitsplätze einzusparen.

Konstruktivere Einstellung der Steuerzahler
An Stelle der genannten „Steuervermeidungsstrategien“ würden sowohl die Konsumsteuer als auch die Wertschöpfungssteuer eine eher kritisch-konstruktive Einstellung als Steuerzahler fördern. Die Menschen würden weniger dazu gedrängt, sich als “schlaue Steuerfüchse” zu profilieren, vielleicht sogar eher daran Gefallen finden, sich als “kritisch-konstruktive Bürgerinnen und Bürger” zu erweisen.

Wirtschaft im Dienst von Menschen, nicht umgekehrt
In Wirklichkeit geht es freilich noch um mehr, nämlich um die Frage, ob die Produktion von Gütern und Dienstleistungen künftig im Dienste der Menschen oder ob die Menschen im Dienst der – zunehmend maschinellen – Produktion stehen sollen. Eine Reform aber, die sich den Menschen verpflichtet weiß – das legen alle hier vorgetragenen Überlegungen nahe – sollte für eine stringente, an klaren Kriterien orientierte Besteuerung der Wert-schöpfung von Anfang an, als auch für eine Besteuerung des Endkonsums sorgen.

Die Konsequenz wäre:

– Armut würde dank eines somit mittelfristig gewährleisteten „Garantierten Grundein-kommens“ (bzw. auch
  schon dank eines „Sockelgrundeinkommens“) abgeschafft,

–  Praktiken legaler Steuerflucht würden eingedämmt,

–  Kontraproduktive Neid-Debatten und unproduktive Konkurrenz zwischen EU-Ländern würden allmählich
  ihre Berechtigung verlieren,

–  Kooperation, Solidarität und soziale Gerechtigkeit würden dagegen an Bedeutung gewinnen.

Die Reform wäre damit ein Schlüsselbeitrag zur Bewältigung der Krise in Europa. 

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Nach der Illusion der Selbstversorgung – bekannte Grundsätze, neu betrachtet

Diese Hinleitung in die Idee des Bedingungslosen Grundeinkommens habe ich auf der Veranstaltung des Vereins Tribüne e.V. am 29.4.2015 als Impulsvortrag gehalten. Anschließend folgte eine Entgegnung von MdB Nina Scheer (SPD) und eine lebhafte Debatte mit ca. 15 Gästen unter der Moderation von MdL Martin Habersaat (SPD S-H).
 

Nach der Illusion der Selbstversorgung – bekannte Grundsätze, neu betrachtet

Impulsvortrag bei der Veranstaltung der Tribüne e.V. in Glinde am 29.4.2015

Worum es geht: Grundeinkommen, und zwar bedingungslos:

– als individueller Rechtsanspruch (also ohne Haushaltsprinzip);
– ohne finanzielle Bedürftigkeitsprüfung;
– ohne verbindliche Gegenleistung, z.B. durch Arbeit;
– und ausreichend hoch für Existenz und Teilhabe (Vorschläge dazu liegen meist zwischen 850 und 1100 EUR);

Zu Beginn habe ich zwei Botschaften mitgebracht:

Die erste Botschaft:

Das Grundeinkommen wird kommen (ich versuche mir daher den Konjunktiv abzugewöhnen) – jedoch: ich gebe keine Prognose, wann dies sein wird und was bis dahin noch passieren wird, noch, auf welche Weise es eingeführt wird.

Die zweite Botschaft:

Grundeinkommen ist prinzipiell finanzierbar, weil

– die Menge an verfügbaren Produkten und Dienstleistungen bei weitem ausreicht, alle, die hier leben, für ein würdiges Leben zu versorgen,

– und deshalb ohne zusätzliches Geld ein Teil der volkswirtschaftlichen Finanzströme, die diese hohe Produktivität repräsentieren, als Grundeinkommen an alle umgeleitet werden kann.

Konkret gerechnete Modelle gibt es etliche, mit Schwerpunkten auf unterschiedlichen Steuerarten oder Kombinationen davon. Je nach eigener ökonomischer Weltanschauung wird jede und jeder ein passendes Modell finden.

Anspruchsvoll ist nicht die prinzipielle Finanzierbarkeit, sondern der Übergang aus dem jetzigen System in ein System mit Bedingungslosem Grundeinkommen.

Aber, diese Hürden des Übergangs sind überwindbar, sobald der gesellschaftliche Wille dazu stark genug ist – aber auch nur dann!

Eine wesentliche Kraft für eine Wende in Richtung Bedingungsloses Grundeinkommen ist damit verknüpft, dass wir die derzeit noch dominante Illusion der Selbstversorgung überwinden lernen.

Wir sind der Selbstversorgung für unsere materiellen Grundbedürfnisse längst entwachsen und das tendenziell bis zu 100%. Stattdessen leben wir in einer umfassenden materiellen Fremdversorgung bei einer weitgehend fragmentierten Arbeitsteilung. Als Verrechnungs- und Tauschmittel in dieser Arbeitsteilung dient uns das Geld. Aber Geld selbst ist keine reale Versorgung und hat in diesem Sinne auch keinen materiellen Wert. Wird dies bewußt reflektiert, erscheinen einige bekannte Grundsätze und Begriffe unseres Sozial- und Wirtschaftssystems in neuem Licht.

Zunächst ist dies der Begriff der Bedürftigkeit:

In einer Selbstversorgungs-Wirtschaft erscheinen diejenigen als bedürftig, die sich nicht selbst versorgen können. Diese Sichtweise ist an ein vermeintliches Unvermögen oder Schicksal der Betroffenen gekoppelt, während es heute tatsächlich eine gesellschaftliche Entscheidung ist, bestimmte Menschen nach bestimmten Kriterien aus einer finanziellen Sicherheit auszuschließen.

Erkennen wir die bestehende Fremdversorgung an, ist Grund-Bedürftigkeit ein Grundmerkmal aller Menschen in der Wirtschaft. Erkennen wir gleichzeitig das Anrecht auf rechtliche Freiheit und Gleichheit für alle an, dann ist der Schritt zur freien und gleichen Ausstattung aller mit Geld für die Grundbedürfnisse in der arbeitsteiligen Fremdversorgungswirtschaft nur logisch.

Und weiter: Haben wir einmal die Grund-Bedürftigkeit so gestillt, dann wird ein unbefangener Blick möglich: auf die tatsächlichen Bedürftigkeiten, nach Bildung, Gesundheit, sozialer und politischer Teilhabe und nicht zuletzt nach Liebe.

Einerseits sind die in diesem Sinne Bedürftigen nicht nur von der zusätzlichen Last ihrer materiellen Grundbedürftigkeit befreit, auch diejenigen, die diesen Bedürftigen gute Angebote machen möchten, werden nicht mehr davon abgelenkt, zunächst ihre eigene Grundbedürftigkeit sichern zu müssen. So können sich Bedürftigkeit und Fürsorge auf einer sicheren Basis und auf Augenhöhe begegnen.

Dies führt uns zum nächsten Grundsatz: Eigenverantwortung und Subsidiarität

Mit der neu gedachten Bedürftigkeit erhält die Eigenverantwortung eine Aufwertung. Ist die Grund-Bedürftigkeit gestillt, wird die eigene Verantwortung jedes Einzelnen für die Gesellschaft viel sichtbarer. Niemand kann sich mehr dahinter verstecken, dass die Selbstversorgung der materiellen eigenen Bedürftigkeit Vorrang habe. Es besteht unmittelbar eine Handlungs-Vollmacht, gesellschaftliche Probleme selbst, ggf. in Gemeinschaft und in Zusammenarbeit mit sozialstaatlichen Einrichtungen anzupacken.

Je früher so Menschen und Gemeinschaften auf Missstände vor Ort reagieren können, um so weniger müssen übergeordnete Behörden in Anspruch genommen werden. Das ist gelebte Subsidiarität, für jeden leicht spürbar. Ist der Zwang überwunden, erst auf die eigene finanzielle Ausstattung achten zu müssen, schafft dies Spielräume für eine ehrliche Kommunikation über tatsächliche Bedürftigkeiten und die Verantwortung jedes Einzelnen.

Zugleich können wir eher zulassen, dass wir nicht mit der Verweigerung von Geld drohen müssen, um Leistungen zu erhalten.

Damit sind wir beim nächsten Grundsatz: Leistung und Gegenleistung

Derzeit, noch, haben wir häufig die Prämisse: Leistung nur für Gegenleistung, d.h. in Form einer meist

– vertraglich fixierten
– exakt bemessenen
– und sanktionsbehafteten
Gegenleistung.

Dabei kann eine erwartete Gegenleistung auch ganz anders sein:

– vertrauensbasiert,
– großzügig ungenau bemessen,
– und zeitlich unbestimmt,

so wie es die meisten selbstverständlich betrachten, wenn sie Freunden oder Nachbarn beim Umzug helfen (und so übrigens nebenbei einem Umzugsunternehmer eine Erwerbsgelegenheit nehmen) oder wenn sie z.B. in der Freiwilligen Feuerwehr ständig für unsere Sicherheit sorgen.

In diesem Sinne ist das Grundrecht auf Einkommen Ausdruck eines Vertrauens, das vielen von uns tagtäglich – häufig unbewusst – selbstverständlich ist, das aber in einer irrtümlich als Selbstversorgung interpretierten Fremdversorgung als ungerechtfertigt erscheint.

“Wieso soll jemand Geld erhalten, ohne dass eine Gegenleistung gesichert ist?” sagen viele – so oder ähnlich.

Aber wieso soll diese Frage eine größere Berechtigung haben als die umgekehrte, ggf. stille Haltung:

“Wieso soll ich mich für eine Gesellschaft engagieren, die meine materielle Sicherheit nicht garantieren möchte, obwohl sie alle Mittel dazu hat?”

Finden zu viele Menschen darauf keine Antwort, untergräbt dies die Bereitschaft zur Teilhabe und damit unser Gemeinwesen.

Betrachten wir daher abschließend zwei weitere Grundsätze:
Soziale Teilhabe und Gute Arbeit

In der Selbstversorgungs-Logik muss Gute Arbeit gut oder zumindest ausreichend bezahlt sein, um sich aus ihr finanziell versorgen zu können. Alle anderen Merkmale für Gute Arbeit müssen dann dahinter zurücktreten, wenn man keine andere finanzielle Sicherheit hat.

Erkennen wir die Fremdversorgung an, können wir zulassen, dass eine erzielte materielle Wertschöpfung durch unbezahlte Fürsorge- und Gemeinwesenarbeit erst ermöglicht wird. Diese, häufig im Hintergrund stehende Arbeit, muss bereits jetzt über den Preis der Erwerbsarbeit bzw. der Produkte mitfinanziert werden.

Der besondere Wert dieser unbezahlten Arbeit besteht jedoch gerade in ihrer nicht-finanziellen Ausrichtung. Kein Bedürftiger möchte das Objekt einer betriebswirtschaftlichen Effizienzrechnung sein. Um diesen Spielraum zu ermöglichen, muss die finanzielle Sicherheit unabhängig von der Fürsorge gewährt werden. Der unbürokratischste und demokratisch angemessene Weg dafür ist eine pauschale, freie und gleiche Ausschüttung an alle.

Aber entwertet dies nicht die Erwerbsarbeit?

Keineswegs, sondern im Gegenteil: Es befreit sie von einer krampfhaften Überhöhung, die sie letzendlich selbst diskreditiert.

So wie die Gleichberechtigung keine Entwertung von Männern, und gleichberechtigte Straßennutzung für Radfahrer keine Entwertung von Autofahrern bedeutet, so ist auch eine erwerbsunabhängige finanzielle Sicherheit keine Entwertung der Erwerbsarbeit. Vielmehr können dann alle Erwerbstätigen, als Individuen und in organisierter Form, ihre Erwerbsarbeit selbst aufwerten, ohne jederzeit auf die – natürlich weiterhin notwendigen – Gesetze und Behörden angewiesen zu sein. Sie können ihr Recht auf Vertragsfreiheit voll ausschöpfen, weil sie nicht jedem Vertrag aus finanziellen Gründen zustimmen müssen.

Der unbedingte Vorrang der Erwerbsarbeit macht nur Sinn in der Illusion der Selbstversorgung. Haben wir diese gedanklich und praktisch überwunden, können wir Erwerbsarbeit mit den anderen gesellschaftlich gleichermaßen notwendigen Tätigkeiten gleichstellen und frei kombinieren, ohne an sozialer Teilhabe zu verlieren. Im Gegenteil, wird die Vielfalt der Tätigkeiten außerhalb der Erwerbsarbeit endlich als gleichberechtigt anerkannt und daher auch finanziell ermöglicht, wird auch die soziale Teilhabe vielfältiger.

Und jetzt? Warum gibt es dann noch kein Grundeinkommen?

Das Grundeinkommen läuft in Form einer politischen Forderung an die etablierte Politik immer noch weitgehend ins Leere. Solange die Vorstellung der Selbstversorgung das Alltagsbewußtsein der Mehrheit bestimmt, z.B. durch Sprüche wie

“Du musst auf eigenen Füßen stehen” oder

“Mit einem Job bin ich endlich unabhängig” oder

“Nur wer sich nicht selbst versorgen kann, hat Anspruch auf staatliche Hilfe” oder auch

“Als Gründerin eines Geschäfts habe ich mir meine eigene Existenz aufgebaut”

so lange wird keine etablierte Partei und kein etablierter Politiker eine Wende hin zum Grundeinkommen als Priorität ansehen, selbst wenn sie der Idee gegenüber aufgeschlossen sein sollten.

Wir als kleine Bürgerinitativen, deutschland- und inzwischen europaweit aktiv, tragen in kleinen Schritten dazu bei, dass sich eine andere Erkenntnis ganz allmählich verbreiten kann.

Wenn sie eines fernen oder frühen Tages, durch welche Ereignisse und Entwicklungen auch immer, zu einer allgemeinen öffentlichen Erkenntnis wird, erst dann wird es wirklich spannend werden darüber zu streiten, auf welchen Wegen genau ein Grundrecht auf Einkommen eingeführt und finanziert werden sollte.

Diese Weiterentwicklung des brüchig gewordenen, in wesentlichen Teilen paternalistischen Sozialstaates, zu einem emanzipatorischen, sozialen Staat, baut auf der bereits jetzt gelebten Bereitschaft der großen Mehrheit auf, das Gemeinwesen zu tragen. Es ist das zu geringe Vertrauen in diese Bereitschaft, die uns hemmt, unser Potenzial zu einer Kooperation ohne materielle Existenzangst voll auszuschöpfen.

In diesem Sinne ist die Einführung des Bedingunglosen Grundeinkommens keine Maßnahme, die der Gesellschaft von oben verabreicht wird, sondern ein Reifungsprozess, in dem sich die Gesellschaft – und damit alle einzelnen Menschen auch für sich persönlich – auf eine andere ökonomische Logik vorbereiten und in ihre Realisierung hineinwachsen.

Vielen Dank!

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10 Jahre Hartz IV! – ‘Heilsamer Druck’?

Bei “Zehn Jahre Hartz IV” von heilsamem Druck zu sprechen, ist einmal wieder eine Verhöhnung der Schwächsten unserer Gesellschaft. Was wurde den Menschen  mit den Hartz-Gesetzen nicht alles versprochen: Aktivierung der Arbeitslosen, “Florida-Rolf” raus aus der Hängematte, Sprungtuch in eine existenzsichernde Arbeitswelt, eine moderne schlagkräftige Arbeits- und Sozialverwaltung und in bestem deutschen Neusprech wurde der antragsstellende Arbeitslose oder Sozialhilfeempfänger zum “Kunden” befördert, alles verdichtet im Schlagwort vom “Fördern und Fordern”. Die eine Hälfte des Versprechens wurde ohne Zweifel eingehalten: Gefordert wurde und wird ohne Ende, gnadenlos. Ein rigides Sozialstaatsregime hat die “Hängemattenbewohner” fest im (Würge-) Griff und die Angst vor dem sozialen Abstieg diszipliniert all diejenigen, die noch einen Arbeitsplatz haben. Und das Fördern? Da schreibt der Autor ja selbst: “Das Fordern klappt zwar ganz gut, das Fördern dagegen weniger.” Mit den geplanten Rechtsvereinfachungen wird das Fördern zwar noch nicht ganz eingestellt, werden die Ansprüche von König Kunde aber deutlich zurückgeschnitten und das Fordern (noch) einfacher gemacht.

Da war aber noch etwas versprochen worden: Der Abbau der Arbeitslosigkeit. Allerdings, auch hier wird wieder einmal getarnt, getrickst und getäuscht. In Aussicht gestellt war ein Abbau der Arbeitslosigkeit bis in die Nähe einer Friktionsarbeitslosigkeit von 2 bis 3 %, was dann als Vollbeschäftigung gewertet werden sollte. Davon sind wir allerdings immer noch meilenweit entfernt. Selbst die heute als Erfolg verbuchten knapp 3 Millionen Arbeitslose statt gut 5 Millionen im Jahr 2005 sind eher das Ergebnis kreativer Buchführung als effizienter Bemühungen der Arbeitslosigkeitsverwalter. Es heißt ja bekanntlich: Trau keiner Statistik, es sei denn, du hast sie selbst gefälscht. Es ist schon ein besonderes Kabinettstückchen moderner Statistikgestaltung wie ganze Personengruppen aus der offiziellen Arbeitslosenstatistik herausgehalten werden. Stellvertretend seien an dieser Stelle die Arbeitslosen über 58 Jahre genannt oder die, die sich gerade “in Maßnahme” befinden. Im Übrigen ist ein Dauereffekt der Arbeitsplatzvermittlung oft nicht zu erkennen. Man spricht in diesem Zusammenhang schon von Drehtürvermittlung. BILD war am 2.12.14 schon näher dran an der Wahrheit, als sie titelte: “Hartz IV – Die bittere Bilanz! – 4,4 Mio. Arbeitslose, 1,7 Mio. Kinder, 1 Mio. Rentner kriegen Stütze”.

Da stellt sich natürlich die Frage, war der “überbordende” Sozialstaat überhaupt der Grund für die gut 5 Millionen Arbeitslosen. Irgendwie schien das ja auf der Hand zu liegen und wurde oft und fest behauptet. Schließlich wurde doch Sonntag für Sonntag in den “Schwarzen Messen” von Deutschlands Talk-Lady Nr. 1 Sabine Christiansen ex cathedra der Niedergang der sozialen Marktwirtschaft herbeigeredet unter tatkräftiger Beihilfe der “Initiative Neue Soziale Markwirtschaft” der Metallarbeitgeber – Vorsteher heute der damalige Superminister für Arbeit und Wirtschaft Clement (SPD) -, die manches Mal gleich zwei oder drei “Botschafter” in einer Talkshow platzieren konnte. Doch immer, wenn etwas auf der Hand zu liegen scheint, lohnt ein Blick in die Sudelbücher des Experimentalphysikus Georg Christoph Lichtenberg (1742 – 1799): “Dinge zu bezweifeln, die ganz ohne weitere Untersuchung jetzt geglaubt werden, das ist die Hauptsache überall.” Könnte es nicht auch Anfang des neuen Jahrhunderts an einer falschen Wirtschaftspolitik gelegen haben? Der schwächelnden Nachfrage mit einer Verstärkung der Angebotspolitik zu begegnen, war ungefähr so richtig, wie eine schwache Glut mit einem Eimer Wasser anzufachen zu versuchen. Den Hintergrund könnte die Einführung des Euro 1999/2002 abgegeben haben, Helmut Kohls Danaergeschenk an Europa. Mit der Einführung des Euro sanken in den neuen Mitgliedsländern die Zinsen und entfachten dort eine konjunkturelle Scheinblüte, verstärkt durch aus Deutschland abwanderndes Kapital, das hier auf Grund der Nachfrageschwäche davon ausging, keine  Gewinn sichernde Heimat mehr zu haben, was einen Rückgang der Investitionen in Deutschland bedeutete mit der Folge steigender Arbeitsplatzverluste.

“Politisch hat Hartz IV das Machtgefüge der Republik verschoben.” Da hat der Autor sicher recht. Die SPD verharrt im Bund seit Jahren im 25%-Turm. Beliebt gemacht hat sich Gerhard Schröder, der Genosse der Bosse, bei den Arbeitgebern und bei der CDU/CSU. Die SPD könne stolz sein auf die Agenda 2010, sagte kürzlich der Hauptgeschäftsführer des Arbeitgeberverbands Gesamtmetall.  Selbst mit der Rente ab 63 und dem Mindestlohn sind offenbar kaum Wähler zurückzugewinnen. Misstrauisch wird der Mindestlohn beäugt. Vielleicht ist es ja eine Mogelpackung. Viele schon bekannt gewordene Umgehungsstrategien der Arbeitgeber deuten bereits darauf hin. Der Mindestlohn ist eh der falsche Weg. Damit werden Arbeitsplätze mit geringer Wertschöpfung vernichtet.  Besser wäre es gewesen, gleich auf ein existenzsicherndes Grundeinkommen umzusteigen. Ein Grundeinkommen würde die intrinsische Arbeitsmotivation und die Verhandlungsmacht des Einzelnen stärken, die Freiheit selbständig etwas zu wagen fördern und die sozialen Sicherungssysteme wirksam entlasten, bzw. wirklich sicherer machen. Diskutiert wird das Grundeinkommen in allen Parteien, am wenigsten leider in der SPD, in der erklärten Partei der sogenannten kleinen Leute, die sehr wahrscheinlich am meisten von einem Grundeinkommen profitieren würden. Angela Merkel lässt es in der Konrad-Adenauer-Stiftung denken, die es unter dem Titel “Solidarisches Bürgergeld” vorgelegt hat. Dass es keine Ausgeburt des sogennanten real existierenden Sozialismus ist, dafür stehen beispielsweise Götz Werner, der Gründer der Drogeriemarktkette “dm”, oder der erzliberale Ökonom Prof. Thomas Straubhaar von der Uni Hamburg. Allerdings hat sich auch die heutige Vorsitzende der Linkspartei Katja Kipping bereits vor Jahren für ein Bedingungsloses Grundeinkommen für jeden Bürger ausgesprochen, was in der Sozialpolitik zu den wenigen animierenden Ideen gehöre, wie jüngst in der FAZ zu lesen war.

“Heilsamer Druck” ist sicher manchmal ganz gut, gut beispielsweise für unsere Flüchtlinge, die in der Schweiz oder Liechtenstein oder Luxemburg ihr sauer verdientes Geld vor dem deutschen Fiscus in Sicherheit gebracht hatten und sich jetzt unter dem heilsamen Druck von Steuer-CDs reihenweise offenbaren. Im vergangenen Jahr haben sich laut der Finanzbehörde in Hamburg 880 Steuerbetrüger selbst angezeigt, um der Strafverfolgung zu entgehen. In den vergangenen 5 Jahren haben sich insgesamt 2.520 Hamburger selbst angezeigt. Sie hatten Kapitalerträge in Höhe von 690 Mill. Euro nicht versteuert. Da stellen sich doch zwei Fragen: Wieso war eine Selbstanzeige eigentlich strafbefreiend, wo doch jeder kleinste Verstoß gegen die Hartz-Gesetze von der Arbeitsagentur auf das Schärfste geahndet wurde und wird? Und wer ist eigentlich “sozial schwach”, der Steuerbetrüger oder der Hartz IV- Empfänger, der sich im dichten Gestrüpp der Hartzgesetze verfangen hat, die (allzu) oft selbst den Mitarbeitern der Arbeitsagenturen ein Rätsel sind. 

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