Author Archives: Helgo Klatt

Büro
Nachlese zum Bürgergeld

Der Pulverdampf ist verraucht. Ist nun alles gut? Der Berg kreißte und gebar eine Maus: Das Bürgergeld oder doch nur Hartz IV light oder auch Hartz V? Im Grunde ist fast alles geblieben wie bisher. Damit auch die CDU/CSU im Bundesrat zustimmen konnte? Der Name Bürgergeld klingt allerdings ein bisschen „netter“, eben bürgerlicher und bleibt doch „Neusprech“. Geblieben ist vor allem das Menschenbild. Der Mensch ist nun mal „dumm, faul und gefräßig“ und muss zum Jagen nicht getragen, sondern geprügelt werden. Fordern und ein bisschen fördern, Peitsche und Zuckerbrot. Geändert hat sich nicht viel. Aber war da nicht noch was? Der Friederich, der Friederich, das ist ein arger Wüterich! Ach ja, Friedrich Merz und andere, die grundsätzlich wenig bis nichts verändern möchten, haben ein Gespenst verscheucht: Das Grundeinkommen oder schlimmer noch: Das Bedingungslose Grundeinkommen. Dieser Krug ist noch einmal an uns vorübergegangen. Dabei hätte das Grundeinkommen beinahe schon mit oder gar von der CDU kommen können.

Zum Glück ist in der aktuellen Diskussion niemand auf die Idee gekommen, mal im Archiv der Konrad-Adenauer-Stiftung in Bonn zu stöbern. Denn da schläft es, das Gespenst. Und das schon seit dem Jahr 2007 unter dem Namen „Solidarisches Bürgergeld“. Der damalige thüringische Ministerpräsident Dieter Althaus von der CDU hat es, im Auftrag von Angela Merkel, so raunt man, entwickelt. Dem Grundgedanken nach war es schon ein Bedingungsloses Grundeinkommen. Teufelswerk!  Da lohnt ein Blick in die Bibel. Im II. Brief des Paulus an die Thessalonicher heißt es doch: „Wer nicht arbeitet, soll auch nicht essen“, und so tönt es jetzt Land auf, Land ab. Da ist sie wieder, die Peitsche. Aber einmal davon abgesehen, dass die Echtheit des II. Briefs in der theologischen Wissenschaft umstritten ist, in der Erwartung an die Wiederkehr des Herrn (Jesus) und eines Himmelreichs auf Erden, sahen die Thessalonicher in der Arbeit keinen Sinn mehr, was  doch verständlich sein dürfte.

Ein Bedingungsloses Grundeinkommen aus der Hand der CDU, das wäre doch was gewesen. Die CDU hat ja manchmal durchaus gute Ideen, leidet aber wie so oft an Gedächtnisverlust. Dabei kann man ein Bedingungsloses Grundeinkommen doch an alle Menschen auszahlen, die dann unbeschränkt dazuverdienen dürfen. Das Grundeinkommen wäre steuerfrei. Jedes Einkommen außerhalb des Grundeinkommens würde mit einer Flatrate in Höhe von beispielsweise 50 % besteuert. Das würde unter anderem auch zu einem Progressionseffekt bei der Einkommenssteuer führen und letztlich vor allem den unteren Einkommensschichten zu Gute kommen. Da wittern einige, nicht zu Unrecht, Umverteilung. Umverteilung, auch noch so ein Unwort. Dabei könnte mit einem Grundeinkommen für alle Bürgerinnen und Bürger auch gleich das dumme, geradezu beleidigende Gerede von der sozialen Hängematte und den Sozialschmarotzern ein Ende haben. Sozialschmarotzer sind im Übrigen doch eher die „sozial Schwachen“, denen es manchmal schwerfällt, ihre der Allgemeinheit geschuldeten Steuern zu zahlen.

Wunderkerze
Der Papst, Prantl, die Parteien und das Grundeinkommen

„Advent, Advent, ein Lichtlein brennt….“ Mit dem Advent wird in der Christenheit das Kirchenjahr eingeläutet und Advent heißt übersetzt: „Ankunft“. Es gilt die Ankunft eines brandaktuellen Buchs anzuzeigen, das am Ende in einen fast leidenschaftlichen Aufruf zum Grundeinkommen mündet: „Wage zu träumen!“ mit dem Untertitel „Mit Zuversicht aus der Krise“. Der Verfasser ist kein Geringerer als Franziskus, der 266. Papst der katholischen Kirche, der ein sehr lesenswertes Buch vor dem Hintergrund der aktuellen Corona-Pandemie geschrieben hat. Zwei Zeilen in Friedrich Hölderlins Gedicht Patmos hat ihn besonders angesprochen: „Wo aber Gefahr ist, wächst das Rettende auch.“ Auf ca. 180 Seiten entwickelt der Papst in drei Abschnitten: „Eine Zeit zum Sehen, Eine Zeit zum Wählen und Eine Zeit zum Handeln“ seine sehr kritische Sicht auf Wirtschaft und Gesellschaft in der Krise und fordert eine Neuausrichtung der Gesellschaft in der Post-Covid-Welt. „Wir müssen vor dem Hintergrund der Krise vom Virtuellen zum Realen kommen, vom Abstrakten zum Konkreten.“ Am Ende seines Buchs wird der Papst sehr konkret. Er plädiert vehement für ein universelles Grundeinkommen (Auf Englisch: UBI, Universal Basic Income): „eine bedingungslose Pauschalzahlung an alle Bürger, die über das Steuersystem verteilt werden könnte.“ Und „Durch die Bereitstellung eines universellen Grundeinkommens befreien und befähigen wir die Menschen, in würdiger Weise für die Gemeinschaft zu arbeiten.“

Doch damit nicht genug: eine weitere gewichtige Stimme, dieses Mal der deutschen Publizistik, bekennt sich nun zum Grundeinkommen. Der Starjournalist von der Süddeutschen Zeitung Heribert Prantl hat sich in seinem Newsletter „Prantls Blick – die politische Wochenvorschau“ vom 29.11.20 mit dem Buch des Papstes befasst. Insbesondere mit seinen Aussagen zum Grundeinkommen, und hat eine Rezension in Form eines langen Briefs geschrieben (> Hier zum Download).  Er selbst ist, was das Grundeinkommen betrifft, nicht ohne Skepsis, aber „im Lichte der Corona-Krise gewinne ich Sympathien für ein Grundeinkommen“ und kommt gegen Ende auf Ludwig Marcuse zu sprechen: „Das Traurige an unserer Zeit ist nicht, was sie nicht erreicht hat, sondern was sie nicht versucht.“ Die im deutschen Bundestag vertretenen politischen Parteien tun sich auch sehr schwer, es mit dem Grundeinkommen zu versuchen, und dann noch bedingungslos. Auch wenn sie nicht die wichtigsten Träger des Gedankens vom Grundeinkommen sind, das sind immer noch die Menschen, die sich mit ihren Sorgen und Problemen von der etablierten Politik allein gelassen erleben. Aber es sind doch die Parteien, die in einer repräsentativen Demokratie letztendlich über eine Weiterentwicklung unserer sozialen Sicherungssysteme in Richtung   Grundeinkommen, bedingungslos, entscheiden (müssen). Da lohnt sich ein Blick auf die innerparteiliche Stimmungslage der im Bundestag vertretenen Parteien zum Grundeinkommen.

 Am deutlichsten, kürzlich im August dieses Jahres, haben sich der Finanzminister und Kanzlerkandidat Olaf Scholz und der Minister für Arbeit und Soziales Hubertus Heil von der Partei der Arbeit, der SPD, im Deutschlandfunk deutlich von einem Grundeinkommen distanziert. Bei den Bündnis-Grünen hat es die Parteibasis immerhin geschafft, der Parteiführung zumindest die Perspektive „Grundeinkommen“ ins Stammbuch, in das neue Grundsatzprogramm, zu schreiben. Am leichtesten dürften es – nunmehr mit dem Papst im Rücken – die Parteien mit dem C im Namen haben. Die CDU braucht doch nur einmal im Archiv der Konrad-Adenauer-Stiftung zu stöbern. Eine Kommission unter dem damaligen thüringischen Ministerpräsidenten Althaus hat 2007 unter dem Titel „Solidarisches Bürgergeld – Den Menschen trauen“ ein vollständiges Konzept für ein Grundeinkommen vorgelegt, das nur weiterentwickelt werden müsste.

 Aber auch eine kleine Partei, die FDP, die immer gern mitregiert hat, muss man nicht vergessen. Sie sollte sich an Karl-Hermann Flach (1929-1973) erinnern, Generalsekretär unter dem damaligen Vorsitzenden Walter Scheel, Wegbereiter für einen modernen Liberalismus und der sozialliberalen Koalition von 1969, der es schon damals auf einen sehr freiheitlich-liberalen Punkt gebracht hatte: „Wer heute nicht weiß, wovon er morgen leben wird, kann nicht wirklich frei sein“. Das heutige liberale Bürgergeld hat allerdings mit einem Grundeinkommen nicht mehr viel zu tun. Die Partei „Die Linke“ kann sich bisher kaum auf eine einheitliche Position zum Bedingungslosen Grundeinkommen verständigen. Vor allem die Gewerkschafter*innen in der Partei tun sich – wie auch innerhalb der SPD – schwer, die Deutungshoheit über die Arbeit ein Stück weit aufzugeben, die Bedeutung der unentgeltlich geleisteten Haus-, Erziehungs- und Pflegearbeit und die vielfach geleistete Ehrenarbeit als Arbeit anzuerkennen. Alle in diesem Zusammenhang anfallenden Arbeitsstunden werden durchaus erfasst und vom Statistischen Bundesamt mit mehr als der Hälfte aller in Deutschland geleisteten Arbeitsstunden veranschlagt. In vielen Köpfen spukt immer noch eine aus dem Zusammenhang gerissene Stelle im Neuen Testament: „Wer nicht arbeitet, soll auch nicht essen“ (2. Brief des Paulus an die Thessalonicher, Abs. 3, Satz 10). Einmal davon abgesehen, dass die Religionswissenschaft die Echtheit dieses Briefs bestreitet, geht es doch nur darum, dass Paulus die Thessalonicher, die in Erwartung des Himmelreichs auf Erden die Hände in den Schoß gelegt hatten, ermahnt hat weiterzuarbeiten.  Papst Franziskus und Heribert Prantl haben vorgelegt, nun ist es auch an den Parteien, den Ball mit dem Namen Grundeinkommen aufzunehmen und ins Tor zu befördern.

Senioren beim Schachspiel
Grundrente & Grundeinkommen

Leserbrief zum Artikel “Hilft die Grundrente gegen Altersarmut?” im Hamburger Abendblatt vom 4.11.19, Seite 3:

Das mit der Grundrente ist ja ganz schön, aber ist sie schon in “trockenen Tüchern“?

Wohl kaum! Was ist denn nun mit den Einkünften aus Kapitalvermögen? Am Anfang hieß es doch, von der CDU-Vorsitzenden im Fernsehen und anderen, selbstverständlich werden Einkünfte aus Kapitalvermögen wie Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung mitgezählt. Jetzt ist es schon nach wenigen Tagen still darum geworden. Die immer wieder gern bemühte Frau des vermögenden  Zahnarztes mit einer in 35 Jahren erarbeiteten kleinen Rente –  er lebt von Kapitalerträgen, sie mit – darf sich freuen. Die Grundrente dürfte sicher sein…. Ein Ausnahmefall! Man scheint realisiert zu haben, dass Einkommen aus Kapitalvermögen einer pauschalen Kapitalertragssteuer in Höhe von (nur) 25 % unterliegen, die in Form einer Abgeltungssteuer erhoben wird. Damit erfährt das Finanzamt des Steuerpflichtigen/Grundrentenempfängers nichts über die Höhe von Erträgen aus Kapitalvermögen. Oder hat man richtigerweise erkannt, dass Grundrentenempfänger kaum über Einkünfte aus Kapitalvermögen verfügen dürften? Man könnte übrigens, nachdem wir mit vielen Ländern Abkommen über den Austausch von steuerrelevanten Daten abgeschlossen haben, doch einmal darüber nachdenken, ob eine pauschale Besteuerung von 25 % auf Kapitalerträge (von einem Finanzminister Peer Steinbrück einstmals eingeführt), die z. B. eine Familie Quandt mit ihren Dividenden aus ca. 50 % ihrer BMW-Aktien mit einigen hundert Millionen Euro jährlich außerordentlich begünstigt, noch zeitgemäß ist.

Da durch den Umstand, dass nicht alle Einkunftsarten berücksichtigt werden (können) entsteht eine leichte „Unschärfe” bei der Einkommensprüfung, die sicher zu verschmerzen ist. Das zeigt aber auch, dass es von vornherein ziemlich unsinnig gewesen ist, sowohl Bedürftigkeit oder jetzt den Bedarf aufwendig zu überprüfen. Oder ist es die Angst, dass von einer (fast) bedingungslosen Grundrente der Schritt zu einem bedingungslosen Grundeinkommen möglicherweise nur noch klein wäre? Schon die gedankliche Nähe zwischen Grundrente und Grundeinkommen geht vielen Politikern und Kommentatoren offenbar auf die Nerven. Dabei werden mit der Grundrente die Koordinaten unseres Rentensystems, das auf dem Äquivalenzprinzip beruht, ein weiteres Mal verschoben. Der Rentenexperte Prof. Bert Rürup hält die strikte Orientierung am Äquivalenzprinzip vor dem Hintergrund eines postindustriellen Arbeitsmarkts für nicht mehr zukunftsfähig (DIE ZEIT v. 14.11.19). Das Bedingungslose Grundeinkommen läßt grüßen.

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