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Rathaus Liverpool
Das Grundeinkommen als notwendiges Zentrum unserer Politik

Das unabdingbare Recht auf ein bedingungsloses Grundeinkommen

Jeder Mensch hat sich schon lange das Recht auf ein bedingungsloses Grundeinkommen verdient, und dies im wahrsten Sinne des Wortes. Unser  gesellschaftliches Erbe in Form von Infrastruktur, Gebäuden und Wissen ist immens. Die gesamte Wertschöpfung der Gesellschaft basiert darauf. Es wird immer deutlicher sichtbar, dass Wissen, Kapitalakkumulation und Kreativität die eigentlichen Motoren der Gesellschaft sind. Dennoch basiert die Verteilung der Basis der Wertschöpfung nicht auf einer kollektiven Idee, sondern hängt meist von der individuellen Art der Tätigkeit ab. Weder wird diese Art nach ethisch sinnvollen Gesichtspunkten beurteilt, noch spielt der Fleiß, also die Menge der produktiven Tätigkeit eine große Rolle. Weiter bedingt sich die Verteilung eben auch essentiell durch unsere Abstammung und zu einem nennenswerten Teil vom Glück. Dinge, die eben nur bedingt durch unser eigenes Verhalten beeinflusst werden können.

Das Recht auf Teilhabe am bestehenden Wohlstandsniveau ist somit offensichtlicher denn je, denn Dinge, die nur aufgrund unserer Geschichte und unserer Kultur entstanden sind und heute erst dadurch entstehen können, bringen Einzelnen Profite. Die so entstandene Kapitalakkumulation bedingt weitere Gewinne, die dann als Vermögen vererbt werden und Familienreichtum entstehen lassen. Wirtschaftsmacht, die dazu führt, dass kleine, aber enge und freiwillige Zusammenschlüsse noch mächtiger werden und noch mehr Einfluss haben. Eine Art Spiel, welches mit seiner Spitze des Eisbergs an den Finanzmärkten, auch Kapitalismus genannt wird. Dieses Spiel schreit nach einer Spielregel des regelmäßigen ökonomischen Ausgleichs.

Für den normalen Bürger auf der anderen Seite des Kapitalismus, quasi der Spielfigur, entsteht das Gefühl der Gruppenzugehörigkeit, die Identität, nur noch durch die Benutzung von Apple oder Windows, VW oder Toyota, Fahrrad oder Flugzeug, Mietwohnung oder Eigentum, Aldi, Lidl oder Bio-Essen oder aber auch Elektro oder Rock, also durch die Art des Konsumierens. Längst definiert man sich nicht mehr im Kollektiv als Schreiner, Maurer oder IT-Fachmann. Dies ist auch geradezu unmöglich geworden, schließlich muss sich der IT-Fachmann erstmal entscheiden, ob er IT-Fachmann für Windows oder für Apple wird, der klassische Schreiner muss sich bereits ein weitergehendes Alleinstellungsmerkmal suchen, da er nicht mit IKEA oder Firmen mit ähnlichen industriellen Fertigungsmethoden konkurrieren kann. Solche wettbewerbsfähigen Fertigungsmethoden machen die Leistung der Arbeitsteilung aber auch den kollektiven Identitätsverlust durch ungleiche Arbeit erst bewusst deutlich.

Die Definition des Ich erfolgt also immer stärker aus dem Konsum, als aus beruflichen Tätigkeiten. Die Tätigkeiten, die ausgeführt werden müssen, werden immer spezifischer, sodass nur noch bedingt Gruppen entstehen können, die die gleiche Tätigkeit durchführen. Wenn also die eigene Persönlichkeit direkt mit dem Konsum verknüpft ist, aber nicht mehr mit der Tätigkeit, dann müssen auch Artikel 1 des GG, die Würde des Menschen, und vor allem Artikel 2 des GG, das Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit, neue Konsequenzen mit sich bringen. Diese verfassungsmäßig garantierten Rechte erfordern eben nicht mehr das Recht auf Arbeit, sondern immer mehr ein Recht auf Konsum. Die Debatte muss also darüber geführt werden, wie viel Konsum gesellschaftlich für jeden unbedingt zu ermöglichen ist, um die Grundrechte zu wahren.

Die Debatte um das Grundeinkommen sollte also lauten:

Muss das zu gewährende wirtschaftliche Grundrecht auf wirtschaftliche Teilhabe so interpretiert werden, dass der gesamte bisherige Sozialstaat entfällt, und welche Elemente müssen über dieses Recht hinaus ermöglicht werden?

Die sozial-ökologischen Konsequenzen

Die Umsetzung dieses Rechts hat zahlreiche ökologische Konsequenzen. Einerseits findet die Rückkehr zur Sinnhaftigkeit der Tätigkeit statt, abseits von der Idee des Geldschöpfens. Die Idee, dass eine Tätigkeit, meist Arbeit genannt, in erste Linie zum Lebenserwerb dient, wird durch Freiheit ersetzt. Freiheit, die positiv, unabhängig von der Höhe der Teilhabe, auf der Bedürfnispyramide auf der höchsten Stufe, der Selbstverwirklichung innerhalb des Kapitalismus ansetzt. So wird die Selbstverwirklichung zum Grundsatz des Tätigwerdens. Es wird schwieriger zu rechtfertigen, dass durch das eigene Handeln andere direkt oder indirekt leiden, wenn das Argument der Lebensnotwendigkeit der Tätigkeit entfällt und die Betäubung des eigentlichen inneren Strebens der Menschen durch Geld und Kaufkraft nur zu offensichtlich wird. Klima- und Umweltschädigungen, aber auch schlechte Behandlung von Arbeitnehmern, vielleicht auch Waffenproduktion oder Ähnliches werden arbeitsmarkttechnisch noch teurer, und somit die Gewinnspanne für Unternehmer, die so etwas verstärkt machen, geringer.

Weiter wird, wenn die Notwendigkeit von Jobs, insbesondere von Billigjobs, entfällt und die Menschen sich auf die Sinnhaftigkeit aller Tätigkeiten im Leben rückbesinnen, die natürlicheren, eher auf Eigenversorgung ausgerichtete und günstigere Lebensform auf dem Land wesentlich attraktiver. Was eine ausgewogenere Verteilung der steigenden Weltbevölkerung auf unserem Erdball für die ökologische Ausgeglichenheit unseres Planten bedeutet, braucht in Zeiten von Systemtheorien wohl nicht näher erläutert werden. Die Entstehung der Megacities von Shanghai, Sao Paulo, Tokio oder Mexiko City an sich sollte dies wohl deutlich machen.

Beide Argumente machen den Bruch der Wachstumsideologie, die aus grüner Sicht so schädlich ist, deutlich. Aber wir sollten uns auch der Macht bewusst sein, die durch ein Grundeinkommen in positiver wie in negativer Sicht wieder zurück an das Volk oder die Menschheit gegeben wird. Dieses Recht ist die direkte Verlängerung der Demokratie von der Politik in die Wirtschaft. Wir brauchen Vertrauen und Zuversicht, was die Menschheit angeht. Ein System muss nicht nur auf Vertrauen bauen, sondern darauf aufgebaut werden, um als System nicht enttäuscht zu werden und letztendlich fehlzuschlagen. Der globalisierte Kapitalismus hält die Möglichkeiten dazu bereit.

Die oben gestellte Frage nach der Interpretation des immer aktuelleren Rechts auf ein Grundeinkommen lässt sich also leicht beantworten. Wollen wir den Schritt in Richtung eines globalen ökologisch ausgewogenen Kapitalismus wagen, dann müssen wir den Menschen alle Freiheit lassen und ein Grundeinkommen als bedingungsloses Recht gewähren, welches die Existenzsicherung und die gesellschaftliche Teilhabe ermöglicht. Wenn dieses Wohlstandsniveau für alle bedingungslos gewährt wird, dann kann jede Leistung, die heute als Existenzsicherung dient, entfallen. Dass es sich bei diesen Leistungen um Arbeitsersatzleistungen wie ALG I und II sowie Rente handelt, ist nicht ganz zufällig in einem System, in der die Arbeit hauptsächlich zum Erwerb dient. Es würde also ein Sozialstaat ausreichen, der sich auf Kranke und Pflegebedürftige in Form von Versicherungen, sowie auf Kinder, Jugendliche, Ausländer und Alte in Form Bildung und Integration konzentriert. Hierbei sollte aber wieder stärker auf staatliche Kollektiv- Leistung wie Schulen und Altenheime gesetzt werden, anstatt auf hoch individuelles Betreuungsgeld als 150te Sozialleistung.

Grundeinkommen International

Die Argumentation hier legt sich offensichtlich nicht fest, ob ein Grundeinkommen für den Bürger oder für den Menschen gilt, indem sie das Recht auf ein Grundeinkommen aus dem Grundgesetz ableitet, die Entwicklungen dabei aber global betrachtet. Die ökonomischen Bedingungen für die ethische Ableitung des Rechts gelten selbstverständlich weltweit. Dennoch müssen wir uns die Frage nach der Solidarität unter den Völkern ehrlich stellen, denn ein weltweit solidarisches Grundeinkommen würde ein Grundeinkommen in gleicher Höhe für alle bedeuten. Das wäre eine weitgehende Forderung, aber ehrlich betrachtet ist die internationale Solidarität eben auch jetzt nicht vorhanden. Selbst in der so durch Solidarität geprägten Arbeitergesellschaft wird dies deutlich. Für die Rechte von afrikanischen Coca Cola-Mitarbeitern ist noch kein Streik unter Mc Donalds-Mitarbeitern im Westen entstanden und wird auch so schnell nicht entstehen, obwohl die kapitalistische Verknüpfung immens wäre.

Nicht nur, dass, wenn Erwerbsarbeitszwang entfallen würde, Raum für solche Solidarität wäre, auch eine Besinnung zur Loyalität unter den Völkern wäre zum ersten Mal möglich. Loyalität würde sich aber eben auch auf die Anerkennung des Rechts, nicht auf die gleiche Höhe beschränken. Ein zu vollziehender und auch realistischer erster Schritt ist aber wesentlich dem zielorientierten Bekenntnis ohne folgende Taten zu bevorzugen. Internationale Solidarität wäre schön, aber dies gilt weder im heutigen System als realistisch, noch sollten wir die Erwartungen an ein Grundeinkommen zu hoch ansetzen.

Wir sollten dennoch nicht nur nationale Politik an diesem grundlegenden Recht orientieren, auch international bspw. in der Entwicklungspolitik hat ein Grundeinkommensprojekt in Namibia bereits gute Ergebnisse erzielt und wurde auch von bspw. der Weltbank als Best-Practice gelobt. Die eigene Umsetzung, einhergehend mit der internationalen Verbreitung muss also notwendigerweise Zentrum unserer Politik sein.

Friends - not food
Taugt Steuerpolitik als Sozialpolitik?

Benzinpreise auf Rekordhöhe befeuern politische Debatten. FDP-Chef Rösler und die „Bild-Zeitung“ haben sich damit hervorgetan, eine Erhöhung der Pendlerpauschale zu fordern. Die Kritik an diesem Vorstoß beißt sich bemerkenswerterweise nicht nur am Für und Wider einer Erhöhung fest. Die Süddeutsche Zeitung (SZ) zum Beispiel nutzt die Gelegenheit, die Pauschale grundsätzlich in Frage zu stellen. Sie löse die Probleme nicht, fördere Energieverschwendung und sei unfair gegenüber denjenigen, die in die Nähe ihres Arbeitsplatzes ziehen, heißt es in einem Kommentar auf der Meinungsseite der Print-Ausgabe vom 10. April.

Die negative ökologische Wirkung der Pauschale liegt auf der Hand. Die soziale Komponente stellt sich bei genauerer Betrachtung auch nicht viel vorteilhafter dar. Die SZ hat den Steuerprofessor Frank Hechtner verschiedene Beispiele berechnen lassen. Das Ergebnis: Von einer höheren Pauschale würden „vor allem gut verdienende Alleinstehende“ profitieren. „Wer ein geringes Einkommen hat oder eine Familie ernähren muss, geht unter Umständen sogar leer aus.“ Wie die Zeitung herausstellt, liegt dies in der Logik des progressiven Einkommensteuertarifs. Für höhere Einkommen fallen höhere Steuertarife an; die steuerliche Absetzbarkeit der gleichen Kosten spart somit „Besserverdienern“ mehr Steuern als Niedriglöhnern: „Wer 2500 Euro im Monat verdient und 40 Kilometer von seiner Arbeit entfernt wohnt, würde bei einer höheren Pendlerpauschale eine jährliche Steuererleichterung von 284 Euro erhalten. Verdient er 6000 Euro, müsste er 425 Euro weniger an den Fiskus zahlen, obwohl die Ausgaben für den Liter Benzin oder Diesel gleich hoch wären.“

Als Mittel des sozialen Ausgleichs ist die Pendlerpauschale somit denkbar ungeeignet. Dies gilt natürlich genauso für die steuerliche Absetzbarkeit aller möglichen anderen Kosten: Im Einzelnen nutzen diese Vergünstigungen denjenigen am meisten, die am wenigsten darauf angewiesen sind; in ihrer Gesamtheit führen sie unser Steuersystem ad absurdum, weil der in der Theorie solidarische Grundsatz der Besteuerung nach Leistungsfähigkeit in der Praxis ausgehebelt wird.

Wenn es um einen Ausgleich für soziale Zumutungen geht, sollten wir uns etwas anderes einfallen lassen als höhere Pendlerpauschalen und immer neue steuerliche Absetzungsmöglichkeiten. Was kann es an sinnvollen Alternativen geben?

Ein Wunderrezept, das alle als ungerecht empfundenen Bevor- und Benachteiligungen ausgleicht, wird es nie geben, das sollten wir uns als erstes klar machen. Die Benzinpreise werden angesichts knapper werdender Rohstoffe noch weiter steigen. „Wenn der Ölpreis steigt, kostet dies in Deutschland Wohlstand“, konstatiert Markus Sievers in einem Artikel im Wirtschaftsteil der Frankfurter Rundschau vom 11. April. Die Menschen müssten sich auf die steigenden Preise einstellen, und kein Staat könne ihnen diese Anpassungsleistung abnehmen. Bei „den ganz Armen, den Hartz IV-Empfängern“ sei jedoch ein Ausgleich über höhere Sätze erforderlich.

Darin steckt ein richtiger Gedanke: Dass ein ökonomischer Umbruch – und nichts anderes ist der Abschied vom billigen Öl – Verlierer hervorruft, ist unvermeidbar, aber die Gesellschaft soll dafür sorgen, dass nicht ausgerechnet diejenigen, die heute schon am schlechtesten dastehen, durch die Veränderungen noch schlechter gestellt werden.

Wenn die Steuerpolitik nicht geeignet ist, um diese soziale Abfederung zu bewerkstelligen, bleibt die Möglichkeit von direkten Zahlungen – wie die von Sievers vorgeschlagene Erhöhung der Hartz-IV-Leistungen. Dieser Vorschlag greift aber zu kurz. „Geringverdiener“ ohne Hartz IV würden von der Erhöhung nicht profitieren, doch gerade sie sind teilweise existenziell auf das Auto angewiesen und sind die größten Leidtragenden der Benzinpreissteigerungen.

Ein bedingungsloses Grundeinkommen wäre auch kein Wunderrezept, das alle Ungerechtigkeiten beseitigt, aber immerhin würde es das Einkommen von „Geringverdienern“ aufstocken und könnte den Kaufkraftverlust durch die steigenden Energiepreise zumindest teilweise ausgleichen. Das wäre ein direkter Effekt. Außerdem würde ein Grundeinkommen die Abhängigkeit von teuren Fahrten zur Arbeit verringern. Was dieser abstrakte Satz für die Praxis heißt? Da gibt es sicher nicht nur eine Antwort. Lassen wir uns gedanklich auf die Idee des bedingungslosen Grundeinkommens ein – nur so werden wir es herausfinden.

Bad in der Menge
Grundeinkommen und soziales Kapital

Autor: Björn Röder

Das Konzept des Sozialkapitals erlaubt der sozialwissenschaftlichen Forschung einen Ansatz, kollektive Handlungs- und Problemlösungsfähigkeiten von Gesellschaften in einer zivilgesellschaftlichen Perspektive zu untersuchen. Besonders interessant ist in diesem Zusammenhang die aufgestellte These, ein hohes Niveau des in einer Gesellschaft vorhandenen Sozialkapitals – grob verstanden als das Zusammenwirken von sozialen Netzwerken, interpersonellem Vertrauen und kollektiven (reziproken) Normen und Werte – wirke sich positiv in Bezug auf Qualität und Leistungsfähigkeit ihrer demokratischen Institutionen aus.

In Hinblick auf die möglichen positiven Wirkungen eines hohen gesellschaftlichen Sozialkapitalbestandes auf die Qualität der institutionellen Handlungs- und Problemlösungsfähigkeiten sollte ein demokratisches Gemeinwesen also Interesse daran finden, möglichst integrativ zu wirken. Ihren Beitrag dazu liefert unumstritten die bedarfsabhängige, sozialstaatliche Transferpolitik, indem sie Menschen vor allem finanziell dazu befähigt, an zumindest einem Minimum des sozialen Lebens teilzuhaben (Anm. des Verfass.: Der ursprüngliche Beitrag wurde vor der Einführung der sogenannten »Hartz IV«-Regelungen verfasst). Im Sinne des Sozialkapitalkonzepts ist ihr jedoch eine Problematik anbehaftet, die zum Teil zurückzuführen ist auf potenzielle Exklusionsmechanismen kollektiver Netzwerkstrukturen.

In einer kurzen Hausarbeit im Herbst 2005 – noch im Rahmen meines Grundstudiums – habe ich daher einmal versucht zu diskutieren, ob und inwiefern eine alternative Form der staatlichen Sozialpolitik eine größere gesellschaftsintegrative Wirkung entfalten könnte. Ein grundsätzlicher Paradigmenwechsel in der staatlichen Transferpolitik, namentlich die Einführung eines universellen und bedingungslosen Grundeinkommens, könnte sich hierbei als »brückenbildendes« Moment herausstellen und einen vielversprechenden Ansatz bieten.

Die damaligen Überlegungen hierzu möchte ich nun – in leicht geänderter Form – als Impuls für unser Hamburger Netzwerk Grundeinkommen zur Diskussion stellen. Den vollständigen Text findet Ihr hier…

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