Autor: Dr. Manuel Franzmann

Die Frage der Finanzierbarkeit gehört zu den notorischen Fragen der Diskussion zum bedingungslosen Grundeinkommen. Ich weise schon seit langem immer wieder darauf hin, dass bei dieser Finanzierungsdiskussion zwischen einer statischen und einer dynamischen Betrachtungsweise klar unterschieden werden sollte. Eine statische Betrachtungsweise beruht auf der letztlich unrealistischen Abstraktion von dynamischen Effekten der Einführung eines bedingungslosen Grundeinkommens. Aber sie ist dennoch sinnvoll und notwendig, ja Ausdruck einer wissenschaftlichen Denkweise, für die es wichtig ist, systematisch vorzugehen, und dazu gehört, zeitweise von bestimmten Einflussgrößen abstrahierend abzusehen, um eine erste Klärung in einer wichtigen Teilfrage erreichen zu können. So ist es auch bei einer statischen Betrachtung der Finanzierungsfrage des bedingungslosen Grundeinkommens.

Bei ihr wird insbesondere von möglichen Verhaltensänderungen bei den Bürgerinnen und Bürgern abgesehen, Verhaltensänderungen, die durch die Einführung des bedingungslosen Grundeinkommens mit bedingt sind. Ein Beispiel wäre hier eine denkbare Verringerung der Arbeitsbereitschaft bzw. des individuellen Erwerbsarbeitsvolumens. Bei einer statischen Betrachtungsweise werden solche Effekte einstweilen ausgeklammert und erst einmal nur danach geschaut, ob eine Form der Finanzierung denkbar ist, welche die derzeit vorhandenen Finanzmittel so umschichtet, dass dadurch das bedingungslose Grundeinkommen auf eine vernünftig erscheinende Weise finanzierbar erscheint.

Nun machen es sich nicht wenige Grundeinkommenskritiker seit langem schon sehr einfach, indem sie in der Finanzierungsfrage eine simple Rechnung vorführen, die angeblich zeigt, dass eine Finanzierung weit jenseits des Möglichen lieg. Und bemerkenswert oft wird diese Rechnung auch von namhaften, grundeinkommenskritischen Ökonomen aufgemacht, darunter vor Jahren auch Hans-Werner Sinn in einer Fernsehtalkshow. Hans-Werner Sinn ist dabei jener Ökonom, auf den sich das obige Zitat „Milchmädchenrechnung“ bezieht, denn Sinn hat als ein sich öffentlich äußernder Ökonom diesen Ausdruck öfters rhetorisch dazu eingesetzt, um sich gegenüber Nicht-Ökonomen mit seiner wissenschaftlichen Autorität Geltung zu verschaffen.

Die besagte simple Rechnung lautet sinngemäß wie folgt. Geht man von einer monatlichen Grundeinkommenszahlung in Höhe von 1.000 Euro aus und multipliziert sie mal 12 Monaten, um den Jahresbetrag zu ermitteln, und multipliziert sie dann mit ca. 80 Millionen deutschen Staatsbürgern, dann ist das Ergebnis:

1.000 € monatlich × 12 Monate × 80 Millionen Deutsche = 960 Milliarden € 

Bei diesem Betrag handelt es sich um den nominellen Gesamtbetrag, der bei einer monatlichen Grundeinkommenszahlung von 1.000 Euro in Deutschland auf das Jahr gesehen derzeit in etwa zu finanzieren wäre. Dieser gigantisch klingende Betrag wird dann im nächsten Schritt mit der Höhe des Sozialbudgets oder des Bundeshaushalts verglichen.

Sozialbudget: Die Bundesregierung berichtet jährlich unter der Überschrift „Sozialbudget“ darüber, wie viel Geld der deutsche Staat für die Soziale Sicherung ausgibt, und zwar Bund, Länder und Gemeinden zusammen. Nach den Zahlen des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales waren dies im Jahr 2017: 965,5 Mrd. Euro
Bundeshaushalt: Der Bundeshaushalt betrug nach den Zahlen des Bundesfinanzministeriums im selben Jahr 2017: 329,1 Mrd. Euro
Und daraus ziehen dann selbst einige grundeinkommenskritische Ökonomen, die mit solchen Zahlen umgehen können sollten, den simplen Schluss, dass sich eine weitere Diskussion und ein weiteres Nachdenken erübrigt, weil schon dieser einfache Vergleich der Höhe des Sozialbudgets oder des Bundeshaushalts angeblich zeige, wie weit entfernt die Idee eines bedingungslosen Grundeinkommens (BGE) in einer zum würdigen Leben ausreichenden Höhe von den realen Finanzierungsmöglichkeiten entfernt ist.

Jedoch wird dabei ein simpler gedanklicher Fehler begangen, sofern es sich nicht um eine motivierte argumentative Nebelkerze handelt, wie sie in der Grundeinkommensdiskussion nicht zuletzt vor dem Hintergrund ausgeprägter kultureller Abwehrformationen auffällig oft vorkommt. Es wird nämlich einfach davon ausgegangen und unterstellt, dass der nominelle jährliche Finanzierungsbetrag eines BGEs im Wesentlichen aus solchen staatlichen Budgets, insbesondere aus dem Sozialbudget oder dem Bundeshaushalt, unmittelbar zu finanzieren wäre und dass die dort vorhandenen Mittel umgewidmet werden müssten zulasten bisheriger Ausgabenposten. Und das ist nachweislich falsch.

Zum Weiterlesen des ganzen Artikels geht es hier entlang >>