DIE WIEDERENTDECKUNG DER ALLMENDE – Vom Missbrauch der Macht zur Kunst des Teilens“

So lautete der Titel des am 7. Dezember 2012 von Silke HELFRICH gehaltenen, äußerst lebendigen und frei gehaltenen Vortrags. Es war bereits der sechste Beitrag im Rahmen der Hamburger Utopie-Wochen. Silke HELFRICH ist selbständige Publizistin, Referentin und Moderatorin aus Jena. Zahlreiche hoch motivierte Menschen waren diesmal in den Sechseck-Saal des Steiner Hauses geströmt.

Nur eine begrenzte Zahl von Menschen – so Silke HELFRICHs Erfahrung – wisse heute noch etwas mit dem Begriff ALLMENDE anzufangen, ein Begriff, der gleichwohl über Jahrhunderte zentrale wirtschaftliche und politische Bedeutung besessen habe, nämlich solange die überwiegende Mehrheit der Menschen von landwirtschaftlicher Selbstversorgung abhängig waren, also etwa in Deutschland teilweise noch bis zum Ende des 19.Jahrhunderts. ALLMENDE bezeichnete damals vor allem landwirtschaftlich nutzbaren Boden, aber auch andere natürliche Ressourcen wie Wasser, Wald, Rohstoffe, Energieträger, soweit sie nicht in privatem Besitz waren, sondern der Allgemeinheit zur Verfügung standen.

Mit der Industrialisierung sei die Bedeutung der Allmende schrittweise immer weiter zurückgegangen, so dass Garret HARDIN 1968 in einem berühmten Aufsatz schließlich von der „Tragik der Allmende“ sprechen konnte. Dahinter verbarg sich die kritische These, dass die Menschen einer gemeinschaftlich genutzten Ressource zum Zwecke privater Gewinnmaximierung mehr entnommen hätten, bzw. fortführen, dies zu tun, als ihnen anteilig zustehe.

Heute gewinne der Begriff, meist in der englischsprachigen Bezeichnung „COMMONS“ erneut an Bedeutung, insbesondere dank des in den letzten Jahrzehnten vollzogenen Wechsels von der Industrie- zur Wissens- und Informationsgesellschaft.

Im Zuge dieses gesellschaftlichen Wandels werde den Menschen bewusst, dass die dank moderner Informationstechnologien verfügbaren Wissensressourcen auf allgemeinen, jahrhundertealten Kulturgütern aufbauten, die eigentlich allen Menschen gehören sollten und somit nicht exklusiver privater Verfügungsgewalt vorbehalten sein dürften.

Freilich sei auch bekannt, dass darüber kein Konsens bestehe. Unter dem Vorwand, Autoren- oder Patentrechte zu schützen, versuchten große Verlage und Medienunternehmen vor allem ihre sogenannten Verwendungsrechte und -interessen durchzusetzen. Die Autoren profitierten davon in der Regel, wenn überhaupt, nur in minimalem Umfang. Das Projekt WIKIPEDIA sei dagegen ein Erfolgsbeispiel, das sich in diesem Konfliktfeld behauptet und durchgesetzt habe. Wichtig sei in diesem Zusammenhang ein entscheidender Unterschied zwischen materiellen und Wissensressourcen: Während materielle Ressourcen immer begrenzt seien, so dass ein „Teilen“ unter vielen dazu führe, dass die Erträge für jeden Einzelnen sich verringerten und ihn dies in Rivalität zu anderen versetze, gelte dies nicht für Wissens- und sonstige geistige oder kulturelle Ressourcen; deren „Ertrag“ vermehre sich im Gegenteil sogar durch die Teilhabe vieler. (Unterschied zwischen „rivalisierenden“ und „nicht rivalisierenden“ Gemeinschaftsgütern).

Unabhängig von diesem bedeutenden Unterschied gelte aber für alle Gemeinschaftsgüter,

dass sie immer wieder neu auszuhandelnde Zugangs- und Nutzungsregeln unter den Betroffenen erforderten. Allerdings sei dies keineswegs als Schwäche zu werten. Der Aushandlungsprozess erfordere nämlich immer wieder neu das grundlegende Überdenken menschlicher Beziehungen, was letzten Endes nicht nur der menschlichen Qualität, sondern auch der Produktivität der gemeinsamen Bemühungen zugute komme. Zahlreiche Beispiele zeigten in diesem Sinne, dass den „Commons“ die Zukunft gehöre, weil sie einen unverzichtbaren Beitrag zum „sozialen Kitt“ der Gesellschaft darstellten.

Silke HELFRICH sah es deshalb als bedeutsam an zu lernen, auch unsere aktuelle gesellschaftliche Realität immer mal wieder mit einer „Commons-Brille“ zu betrachten. Die Probe aufs Exempel für diese These lieferte sie in der anschließenden Diskussion, wo sie alle informativen oder auch kritischen Rückfragen souverän und kompetent parierte.