Wenn man mit Menschen über ein Grundeinkommen debattiert ist das nicht immer einfach. Es gibt schließlich einige, in der Gesellschaft denen es gut geht. Diese Menschen sind nicht oder nur schwierig empfänglich für Ideen, die in erster Linie mit Veränderung assoziiert werden, aber ist das Grundeinkommen überhaupt Veränderung?
Gerade in der Generation derer, die kurz vor der Rente stehen oder
gerade in Rente gegangen sind soll es tatsächlich auch im 21.
Jahrhundert noch Menschen geben, die ihren Arbeitgeber nie gewechselt
haben, in ländlichen Regionen sicher mehr als in einer Weltstadt wie
Hamburg. So haben diese Menschen doch erfahren, dass unser System extrem
erfolgreich und stabil seit dem Zweiten Weltkrieg Fortschritt,
Entwicklung und Wachstum mit sich gebracht hat. In Wirklichkeit müssten
sie aber einsehen, dass Fortschritt, Entwicklung und Wachstum nicht
Stabilität sondern Veränderung bedeuten. In diesem Sinne war die Soziale
Marktwirtschaft eingebettet im weltweiten Kapitalismus sehr erfolgreich
und „stabil“ dabei Veränderung im Sinne von Fortschritt, Entwicklung
und Wachstum zu erzwingen.
Wenn es uns doch gut geht, weil wir so erfolgreich in der globalen
Wirtschaft agiert haben, warum sollen wir uns denn dann weiterhin zu
Veränderung zwingen lassen? Haben wir nicht heute alle diesen
Veränderungsstress? Können wir uns in diesem System überhaupt noch
weiter so dynamisch entwickeln wie bisher? Können wir überhaupt einmal
mit der Entwicklung fertig sein? Ist die Marktwirtschaft im
Globalisierungszeitalter überhaupt noch sozial? Sollten wir nicht
versuchen, das Erreichte langsam aber nachhaltig abzusichern um auch in
den Genuss dessen zu kommen? Macht nicht das jetzige System
Veränderungsstress geradezu zu einem Veränderungszwang den wir uns
selber auferlegen? Ist dies nicht der Grund für ansteigende psychische
Krankheiten? Ist das Risiko des “weiter so” vielleicht doch ganz schön
hoch? Ist nicht das Grundeinkommen gar die konservativere Variante, die
eben bestätigt, dass es uns gut geht, dass wir mit dem Erreichten
zufrieden sein können?
Harald Welzer hat beschrieben wie wir uns momentan diesem
Selbstzwang der Veränderung von Entwicklung, Fortschritt und Wachstum
aussetzen, nicht nur kollektiv, sondern jeder ganz individuell. Er nennt
es die „Mentale Infrastruktur“ und belegt es hier
eindrucksvoll. Man stelle sich ein bedingungsloses Grundeinkommen
einmal nicht als sozial- oder wirtschaftspolitische Veränderung vor. Es
ist der Versuch der mentalen Infrastruktur der Gesellschaft die nötige
Ruhe und Gelassenheit für die Herausforderungen der Zukunft zu
vermitteln. In diesem Sinne bedeutet ein Grundeinkommen dann
Nachhaltigkeit und Zukunftsfähigkeit für eine Gesellschaft, die
tatsächlich alternativlos mit der Dynamik der Globalisierung umgehen
muss ohne dabei verrückt zu werden. Beim Einzelnen kommt dann die
psychologische Prävention an, die Zufriedenheit erzeugen kann, den Blick
auf das Wesentliche befreit und die vor allem die Symptombehandlung
beim Psychiater ersetzt.