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Wachsendes Geld
Grundeinkommen und seine Finanzierung – klimasolidarisch und menschenwürdig

Ein Kommentar zum neuen Buch von Dr. Brüne Schloen

Ich hatte wieder Gelegenheit, das neue Buch von Herrn Dr. Schloen mit dem obigen Titel zu lesen. Im Untertitel wird es als 2. Auflage bezeichnet. Genau genommen handelt es sich wohl mehr um eine umfassende Überarbeitung seines vorherigen Buches. Mein Kommentar:

Der Autor hält nicht nur an seiner bisherigen Kritik unverändert fest, sondern fordert explizit von den Politikern und den sie tragenden Parteien eine grundlegende Verhaltensänderung in ihrem Tun gegenüber den Erfordernissen von Staat und Gesellschaft ein. Er klagt die Defizitbereiche an wie:

  • mangelnde Auseinandersetzung mit den massiven Verwerfungen unseres Sozialstaates und mit den Herausforderungen der globalisierten Digitalisierung,
  • Verweigerung notwendiger Maßnahmen gegen verschärfende Gesellschaftsspaltung,
  • zunehmende Einkommensspreizung, Vermögenskonzentration,
  • erodierendes Steuersystem,
  • fehlende Empathie gegenüber unseren schützenswerten Grundwerten!

Der Klimawandel ist ein viel zu großes globales Risiko, als dass man ihn ignorieren oder gar leugnen dürfte. Diese Erkenntnis gewann der Autor als ein wesentliches Ergebnis aus den vielen Kommentaren und Reaktionen auf seine Interviews und Diskussionen,
u.a. im Magazin DER SPIEGEL, Juli2019. Dadurch wurde ihm die Lücke bewusst, die in seinem bisherigen Plädoyer für ein substanzielles Grundeinkommen und dessen Finanzierung bestand. Das zwingt ihn gewissermaßen zu seinem 2. Buch, mit dem er sein Versäumnis korrigiert, indem er darin das BGE und den Klimaschutz in Symbiose vereint sieht! Mittels der Verknüpfung mit dem Klimaschutz verleiht er so der BGE-Idee zugleich eine weitere Legitimation.

Hieraus leitet sich auch seine Empfehlung für ein substanzielles BGE von € 1500 ab, wodurch sichergestellt werden soll, dass auch finanziell Schwächergestellte in die Lage versetzt werden, die eventuellen Mehrbelastungen durch CO2-Steuern (€ 300/to) mitzutragen. Denn das CO2-Steueraufkommen ist eine ganz wichtige Komponente in seinem Finanzierungsmodell, neben einer deutlich höheren Erbschaftssteuer und einer Finanztransaktionsteuer, gepaart mit einer sehr grundsätzlichen Steuerreform, die die Intransparenz und die vielfältigen Steuer-Minderungsmöglichkeiten unseres heutigen Systems restlos beseitigen sollte. Der „Charme“ seines Modells besteht u.a. darin, dass sein Steuermix im Wesentlichen preisneutral ist, was gleichzeitig auch eine Absage an alle Konsumsteuer- basierten Finanzierungsmodelle ist! Und dort, wo die Steuer preisbewegend (CO2-Steuer) ist, soll sie es auch sein!

Um die Anwendbarkeit seines Finanzierungsvorschlages nachzuvollziehen, muss man bereit sein, sich mit vielen Zahlen auseinanderzusetzen. Auch wenn man sicher noch über einige Detailpunkte beizeiten trefflich streiten kann, zeigt dieser Finanzierungsvorschlag, dass sein vorgeschlagenes substanzielles BGE grundsätzlich problemlos finanzierbar ist, und – als eine besondere Herausforderung – seine Idee des Systemwechsels einer Umsetzung bzw. Einführung bei „laufendem Betrieb“ umsetzbar erscheinen lässt.

Die Herausforderung aber besteht ferner auch darin, dass nicht nur die o.e. Defizitbereiche national bearbeitet werden müssen, sondern dass Deutschland auch auf europäischer Ebene eine deutlich höhere Solidaritätsbereitschaft leisten muss, um die Disbalance in den Leistungsbilanzen besser auszugleichen und durch weniger „dirigistische“ Maßnahmen andere EU-Partner an unserem Markt teilhaben zu lassen.

Ein besonders dickes Brett im Rahmen dieser Herausforderungen muss gebohrt werden, wenn es gelingen soll, die Schwierigkeiten des Umsetzungsprozesses zu überwinden und die Auseinandersetzung mit den BGE-Gegnern und ihren Argumenten zu gewinnen, wie etwa dem Festhalten an Liebgewordenem, an Vertrautem, an konservativen Strukturen, kurz: am „Weiter So!“

Vor diesem Hintergrund ruft Herr Dr. Schloen mit seinem Buch dazu auf und ermuntert uns, die schon so weit in unsere Gesellschaft hineingetragenen Ideen BGE und Klimaschutz unbedingt an alle staatlichen und gesellschaftlichen Ebenen heranzutragen, um so am Ende die Verheißungen einer Verbindung der BGE-Idee mit dem Klimaschutz auf ein gutes Leben erlebbar zu machen und auch dem Glauben an den Menschen hinsichtlich seiner Leistungs- und Solidaritätsbereitschaft Raum zu geben.

Grundeinkommen und seine Finanzierung : Klimasolidarisch und menschenwürdig ; 2., überarb. Aufl. 2020. von Schloen, Brüne . Wiesbaden, Springer Fachmedien Wiesbaden, 2020.
Eintrag bei buchhandel.de

Friends - not food
Taugt Steuerpolitik als Sozialpolitik?

Benzinpreise auf Rekordhöhe befeuern politische Debatten. FDP-Chef Rösler und die „Bild-Zeitung“ haben sich damit hervorgetan, eine Erhöhung der Pendlerpauschale zu fordern. Die Kritik an diesem Vorstoß beißt sich bemerkenswerterweise nicht nur am Für und Wider einer Erhöhung fest. Die Süddeutsche Zeitung (SZ) zum Beispiel nutzt die Gelegenheit, die Pauschale grundsätzlich in Frage zu stellen. Sie löse die Probleme nicht, fördere Energieverschwendung und sei unfair gegenüber denjenigen, die in die Nähe ihres Arbeitsplatzes ziehen, heißt es in einem Kommentar auf der Meinungsseite der Print-Ausgabe vom 10. April.

Die negative ökologische Wirkung der Pauschale liegt auf der Hand. Die soziale Komponente stellt sich bei genauerer Betrachtung auch nicht viel vorteilhafter dar. Die SZ hat den Steuerprofessor Frank Hechtner verschiedene Beispiele berechnen lassen. Das Ergebnis: Von einer höheren Pauschale würden „vor allem gut verdienende Alleinstehende“ profitieren. „Wer ein geringes Einkommen hat oder eine Familie ernähren muss, geht unter Umständen sogar leer aus.“ Wie die Zeitung herausstellt, liegt dies in der Logik des progressiven Einkommensteuertarifs. Für höhere Einkommen fallen höhere Steuertarife an; die steuerliche Absetzbarkeit der gleichen Kosten spart somit „Besserverdienern“ mehr Steuern als Niedriglöhnern: „Wer 2500 Euro im Monat verdient und 40 Kilometer von seiner Arbeit entfernt wohnt, würde bei einer höheren Pendlerpauschale eine jährliche Steuererleichterung von 284 Euro erhalten. Verdient er 6000 Euro, müsste er 425 Euro weniger an den Fiskus zahlen, obwohl die Ausgaben für den Liter Benzin oder Diesel gleich hoch wären.“

Als Mittel des sozialen Ausgleichs ist die Pendlerpauschale somit denkbar ungeeignet. Dies gilt natürlich genauso für die steuerliche Absetzbarkeit aller möglichen anderen Kosten: Im Einzelnen nutzen diese Vergünstigungen denjenigen am meisten, die am wenigsten darauf angewiesen sind; in ihrer Gesamtheit führen sie unser Steuersystem ad absurdum, weil der in der Theorie solidarische Grundsatz der Besteuerung nach Leistungsfähigkeit in der Praxis ausgehebelt wird.

Wenn es um einen Ausgleich für soziale Zumutungen geht, sollten wir uns etwas anderes einfallen lassen als höhere Pendlerpauschalen und immer neue steuerliche Absetzungsmöglichkeiten. Was kann es an sinnvollen Alternativen geben?

Ein Wunderrezept, das alle als ungerecht empfundenen Bevor- und Benachteiligungen ausgleicht, wird es nie geben, das sollten wir uns als erstes klar machen. Die Benzinpreise werden angesichts knapper werdender Rohstoffe noch weiter steigen. „Wenn der Ölpreis steigt, kostet dies in Deutschland Wohlstand“, konstatiert Markus Sievers in einem Artikel im Wirtschaftsteil der Frankfurter Rundschau vom 11. April. Die Menschen müssten sich auf die steigenden Preise einstellen, und kein Staat könne ihnen diese Anpassungsleistung abnehmen. Bei „den ganz Armen, den Hartz IV-Empfängern“ sei jedoch ein Ausgleich über höhere Sätze erforderlich.

Darin steckt ein richtiger Gedanke: Dass ein ökonomischer Umbruch – und nichts anderes ist der Abschied vom billigen Öl – Verlierer hervorruft, ist unvermeidbar, aber die Gesellschaft soll dafür sorgen, dass nicht ausgerechnet diejenigen, die heute schon am schlechtesten dastehen, durch die Veränderungen noch schlechter gestellt werden.

Wenn die Steuerpolitik nicht geeignet ist, um diese soziale Abfederung zu bewerkstelligen, bleibt die Möglichkeit von direkten Zahlungen – wie die von Sievers vorgeschlagene Erhöhung der Hartz-IV-Leistungen. Dieser Vorschlag greift aber zu kurz. „Geringverdiener“ ohne Hartz IV würden von der Erhöhung nicht profitieren, doch gerade sie sind teilweise existenziell auf das Auto angewiesen und sind die größten Leidtragenden der Benzinpreissteigerungen.

Ein bedingungsloses Grundeinkommen wäre auch kein Wunderrezept, das alle Ungerechtigkeiten beseitigt, aber immerhin würde es das Einkommen von „Geringverdienern“ aufstocken und könnte den Kaufkraftverlust durch die steigenden Energiepreise zumindest teilweise ausgleichen. Das wäre ein direkter Effekt. Außerdem würde ein Grundeinkommen die Abhängigkeit von teuren Fahrten zur Arbeit verringern. Was dieser abstrakte Satz für die Praxis heißt? Da gibt es sicher nicht nur eine Antwort. Lassen wir uns gedanklich auf die Idee des bedingungslosen Grundeinkommens ein – nur so werden wir es herausfinden.

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