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Ein Plädoyer für die Tugend der Generosität

Werner Peters, Philosoph, Politikberater und Betreiber eines Künstler-Hotels schreibt ebenfalls in der taz vom 14. April: “Wir brauchen eine Ethik, die sich an der Natur des Menschen orientiert, die seine empathischen, auf die Mitmenschen gerichteten Gefühle anspricht, ohne sein Bedürfnis nach individueller Selbstverwirklichung zu ignorieren.
Das Leitbild einer solchen neuen Moral könnte die Tugend der Generosität sein – weil sie den Kapitalismus überwindet, ohne ihn aufzugeben.”

Ein wunderbarer Text über eine neue Ethik. Die Berührungspunkte zur Idee des Bedingungslosen Grundeinkommens sind spürbar.

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In der Stadt unterwegs
Eine Pflicht zur Gegenleistung

Eine Pflicht zur Gegenleistung?

Niemand soll Hunger leiden müssen, klar. Und wir wollen niemanden vom gesellschaftlichen Leben ausschließen, auch klar. Darüber sind wir uns schnell mit fast allen einig. Aber dass das Grundeinkommen bedingungslos gezahlt werden soll, das sei ja nicht richtig, hören wir oft. Zumindest von denjenigen, die arbeitsfähig sind, solle man eine Gegenleistung verlangen, wenn sie die Unterstützung der Gesellschaft in Anspruch nehmen, das sei nur gerecht.

Jetzt einmal Hand aufs Herz: Haben die Leute, die diesen Einwand vorbringen, nicht im Grunde Recht?

OK, die Mehrheit der Menschen will etwas tun. Und außerdem gibt es Menschen, von denen wir wegen ihres gesundheitlichen Zustandes oder aufgrund ihrer Lebenssituation kein Engagement verlangen können, vorübergehend oder auch dauerhaft. Aber wenn wir die Mehrheit der Arbeitswilligen und die Minderheit der Arbeitsunfähigen ebenso wie Kinder und Jugendliche, Rentnerinnen und Rentner für einen Augenblick beiseite lassen: Was ist, wenn sich Menschen, nicht wegen Krankheit oder persönlicher Ausnahmesituation, sondern aus schierer Unlust dauerhaft dagegen sperren, etwas für andere Menschen zu leisten oder etwas zur Gesellschaft beizutragen, nicht in Erwerbsarbeit, und auch nicht auf andere Weise? Hand aufs Herz: Ist das nicht unsozial?

Wir sollten nicht drumherum reden: Es ist unsozial. Und wenn solche Menschen die Unterstützung der Gesellschaft in Anspruch nehmen, ist es legitim, von ihnen eine Gegenleistung zu erwarten. Will heißen: Ich habe das moralische Recht, die betreffenden Menschen für ihre Haltung zu kritisieren und sie aufzufordern, sich auf ihre soziale Verantwortung zu besinnen und ihr Verhalten zu ändern.

Trotzdem ist es gerecht, wenn wir als Gesellschaft auch diesen Menschen ein Grundeinkommen zahlen, bedingungslos, ganz unabhängig davon, ob sie legitimen gesellschaftlichen Erwartungen nachkommen oder nicht. Denn auch die „Fleißigen“ haben ihren Wohlstand nicht allein „erarbeitet“, sondern zunächst etwas geschenkt bekommen: Wer die Infrastruktur, das Rechtssystem und den Wissensstand unserer Zivilisation nutzt und weiterentwickelt, baut auf der Frucht der Arbeit vieler Generationen vor uns auf. Die natürlichen Lebensgrundlagen und die zivilisatorischen Leistungen unserer Vorfahren sind der Verdienst von niemandem von uns und gehören daher allen. Das Recht, am gemeinsamen Erbe der Menschheit teilzuhaben, sollte sich schon deshalb niemand „verdienen“ müssen.

Bis zu diesem Punkt ist es ein sehr grundsätzliches Argument: Wer sich ethisch inakzeptabel verhält, darf kritisiert, aber nicht mit dem Entzug der Lebensgrundlage bedroht werden. Gleichzeitig gibt es sehr praktische Argumente, eine materielle Grundabsicherung bedingungslos zu gewähren.

Wenn wir wirklich wollen, dass jeder Mensch entsprechend seiner Möglichkeiten Leistungen für andere und für die Gesellschaft erbringt, dann kommt es ganz entscheidend darauf an, die Aufnahme von Arbeit und die Erbringung von Leistung einfach und attraktiv zu machen. Hierbei wirken die autoritären Regelungen des heutigen Sozialsystems mit ihrer Fixierung auf Vollzeit-Erwerbstätigkeit kontraproduktiv. Unbezahlte Tätigkeiten werden in der Regel gar nicht anerkannt, auch wenn sie gesellschaftlich sinnvoll sind. Ähnliches gilt für so genannte geringfügige Beschäftigung.

Das Hartz-IV-System entmutigt Erwerbslose, sich über diesen Weg eine berufliche Zukunft aufzubauen. Wer einen 400-Euro-Job annimmt, ist weiterhin den behördlichen Schikanen ausgesetzt und darf jenseits eines lächerlichen Freibetrages von 100 Euro von seinem Gehalt nur 10 bis 20 Prozent behalten. Da kann man es gleich sein lassen. Auch selbständige und freiberufliche Tätigkeit in (zunächst) geringfügigem Umfang oder mit unsicherer und möglicherweise erst langfristiger Rentabilität wird behindert. Wer mit seinen Aktivitäten nicht in die starren Förderschemen für Existenzgründungen passt und nicht auf einen Schlag genug erwirtschaftet, um kein ALG II mehr zu brauchen, hat Pech gehabt: Es winken nicht nur horrende Abzüge vom „Nebenverdienst“, sondern auch die Verpflichtung, die eigene Initiative zugunsten wahlloser Bewerbungen zurückzustellen.

Der Entwicklung von Eigeninitiative ist mit der Einführung eines bedingungslosen Grundeinkommens besser gedient. Es macht mehr Formen von Arbeit möglich, und es macht Erwerbstätigkeit in verschiedenen Formen einfacher und attraktiver. Wer legitimerweise für gesellschaftliche Solidarität eine Gegenleistung erwartet, sollte das bedenken: Wir werden mehr Gegenleistung bekommen, wenn wir sie nicht versuchen zu erzwingen.

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