Thorsten SCHOOP propagiert in seinem Beitrag mit dem plakativen Titel
“AMAZON BRAUCHT GRUNDEINKOMMEN“
die Idee, dass riesige von ihm in der Wirtschaft erwartete Rationalisierungsgewinne d i e Chance seien, in absehbarer Zeit das BGE einzuführen. Er ist sich aber offensichtlich nicht der gravierenden Implikationen bewusst, die der von ihm beschriebenen „Logik“ im Hinblick auf das damit transportierte Menschenbild innewohnen. Zu dem Menschenbild, für das wir uns – jedenfalls nach meinem Verständnis – bisher mit dem BGE im Hamburger Netzwerk eingesetzt haben, steht jenes jedenfalls in krassem Widerspruch.
Richtig ist wohl Thorstens Annahme, dass die Tendenz zu
weiterer Rationalisierung und Automatisierung unerbittlich
fortschreitet. Sicher kann man dem auch einige positive Seiten
abgewinnen; so mag es durchaus Bereiche geben, in denen eine weitere
Automatisierung sinnvoll sein kann. Etwa da, wo den Menschen auf diese
Weise noch körperlich schwere oder geistig stumpfsinnige Arbeit
abgenommen wird.
Andrerseits haben wir uns zu fragen, ob wir uns den von Thorsten und
anderen begeistert als Finanzierungsreserve für ein BGE begrüßten
„Produktivitätsfortschritt“ in diesem Ausmaße überhaupt wünschen sollen.
Ich kann jedenfalls für mich sagen: Im höhen Alter möchte ich n i c h t
von einem Roboter gepflegt werden. Ich möchte auch n i c h t, dass
meine Enkel und Urenkel überwiegend von Robotern erzogen und
unterrichtet werden. Darauf, dass meine Einkäufe von einem Roboter
getätigt und zu Hause in den Kühlschrank eingeräumt werden, will ich
gerne verzichten. Ich frage mich also eher: Was können wir einer solchen
weitgehend überflüssigen, menschlich problematischen bis absurden und
abwegigen Entwicklung entgegenstellen?
Niemand sage, die Entwicklung sei ohnehin nicht aufzuhalten.
Die Frage ist sehr wohl, was wir wollen, was wir nicht wollen und was
wir eventuell zulassen wollen. Entsprechende konkrete Vorschläge zur
Postwachstums- und Gemeinwohl-Ökonomie weisen m.E. durchaus
bedenkenswerte Perspektiven auf; und ein BGE wäre, sofern der politische
Wille dazu erst einmal da ist, auch unter diesen Vorzeichen
realisierbar.
Im Gegenzug möchte ich durchaus, dass ein BGE, für das ich
mich heute engagiere, den Menschen morgen ermöglicht, produktive und
kreative Eigenkräfte auf der Ebene ihres Denkens, Fühlens und Handelns
zu entwickeln und zu entfalten. Das wird nur möglich sein, wenn sie von
klein auf die Chance haben, sich im Gebrauch dieser Eigenkräfte zu üben,
wenn sie also Chancen haben, diese im alltäglichen Umgang miteinander
zu praktizieren. Genau dies würde aber voraussichtlich durch eine
über-bordende Automatisierung in Frage gestellt. Unsere physischen,
psychischen und geistigen Eigenkräfte würden verkümmern, wenn wir den
größten Teil der Alltagsaufgaben blutleeren Maschinen übertragen. Die
Frage, wie wir das entstehende gähnende Loch der Langeweile der immer
zahlreicheren Menschen ohne Erwerbsarbeit mit immer absurderen und immer
über-flüssigeren Freizeit- und Konsumangeboten auffüllen, würde sich
dagegen nur umso dringlicher stellen.
Eine – auch partielle oder progressive – Erhöhung der
Mehrwertsteuer, wie Thorsten SCHOOP sie propagiert, würde in der Tat
einen beträchtlichen Anreiz für die Unternehmen schaffen, noch mehr zu
rationalisieren, um im fortbestehenden Konkurrenzkampf die Preise zu
halten oder gar zu unterbieten.
Ob die Unternehmen dazu motiviert oder gezwungen werden
könnten, einen entsprechenden „Rationali-sierungsgewinn“ für die
Gewährleistung eines Grundeinkommens zur Verfügung zu stellen, ist eine
andere Frage. Aber selbst wenn diese reale Schwierigkeit gelöst werden
könnte, würde dies doch in keiner Weise dazu beitragen, den bisher von
Unternehmen und Gewerkschaften in paradoxer Einmütigkeit unterhaltenen
Teufelskreis zwischen Stimulierung der Massenkaufkraft und ungebremstem
Konsumismus zu zerschlagen.
Dies könnte vielmehr nur gelingen, wenn parallel zu einer
allmählichen Erhöhung der Mehrwertsteuer (bzw. besser: zu ihrer
konsequenten Überführung in eine kombinierte Öko- und Konsumsteuer)
Einkommensteuer und Sozialabgaben schrittweise abgeschafft würden. Nur
so könnte der ungesunde übermäßige Leistungs- und Konkurrenzdruck aus
der Wirtschaft genommen und ein angemessenes, demokratisch gewolltes BGE
gewährleistet werden; erst dieses hätte dann die Chance, unabdingbare
Voraussetzung für eine wirklich nachhaltige und lebenswerte
Postwachstumsökonomie zu sein.