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ROBOTOPIA – Sollen wir Arbeit neu denken?
Eingangs-Statement zu grundsätzlichen, ggf. derzeit auch utopisch erscheinenden Thesen:  

Angesichts einer globalen Digitalisierung müssten neue Konzepte von Arbeit eigentlich am besten auch gleich in einem globalen Rahmen diskutiert werden. Um realistisch zu bleiben, sollte es aber zumindest ein europäischer Rahmen sein, der dann bezüglich seiner politischen und ökonomischen Ausgestaltung grundlegend zu reformieren wäre.
Der Grund:  Das Konzept von Arbeit, und damit auch der Arbeitsalltag der Menschen, hängt entscheidend von solchen Rahmenbedingungen ab. Fremdbestimmte Erwerbsarbeit und selbstbestimmte freiwillige Arbeit sollten im Rahmen eines solchen europaweiten gemeinsamen Konzeptes von Arbeit gleichermaßen wertgeschätzt und entlohnt werden. Konkret heißt das: An Stelle des Scherbenhaufens einer seit Jahrzehnten fehlgeleiteten, auf Konkurrenz und Gewinnmaximierung basierenden, neoliberalen EU-Politik, bedarf es eines Europa, das auf ein solides gemeinsames, menschen- statt bankenfreundlich konzipiertes Finanz-, Steuer und Sozialsystem gegründet und wirklich demokratisch organisiert ist. Leitbild sollten eine konsequent nachhaltige, solidarische sowie gemeinwohlorientierte Organisation der ökonomischen und gesellschaftlichen Strukturen sein. Optimale Voraussetzungen einer Entwicklung in diese Richtung wären Schritte zur Vorbereitung

  • einer Geld- und Bankenreform,
  • eines europäischen Verfassungskonventes
  • einer konsequenten ökologischen Orientierung der Ökonomie an den Prinzipien der Gemeinwohlökonomie,
  • und die Einführung eines als Kulturimpuls verstandenen bedingungs-losen Grundeinkommens.
Kurz- und mittelfristige Überlegungen

Vielleicht wird die fortschreitende Digitalisierung in Industrie und Wirtschaft wegen der daraus resultierenden massiven Arbeitsplatz-verluste schon eher als bisher gedacht die Einführung eines Grund-einkommens erzwingen oder zumindest erleichtern. In diesem Fall kommt es darauf an, das BGE nicht ausschließlich als probates Mittel zur Armutsbekämpfung oder zur Behebung von arbeitsmarkt-spezifischen Kollateralschäden zu begreifen, – obwohl es auch dazu seinen Beitrag leisten würde -, sondern in erster Linie gemäß seinem eigenständigen Sinn und Wert als Kulturimpuls. Das bedeutet, dass die bekannten Grundkriterien des BGE (also ein sowohl allgemeiner als auch individueller Rechtsanspruch darauf, die Bedingungslosigkeit der Gewährung, eine ausreichende Höhe für angemessene gesellschaft-liche Teilhabe) nicht aufgeweicht werden dürfen. Im Kontext der Frage nach der Zukunft der Arbeit folgt daraus, dass ein BGE nicht Erwerbsarbeit ersetzt, sondern im Regelfall selbstbestimmte (Teilzeit)-Arbeit ermöglicht.

Das Risiko einer „Pervertierung“ des BGE durch Aufweichung seiner Grundkriterien wäre –  gerade in einer zunehmend digitalisierten Welt – dort besonders hoch, wo etwa große Konzerne unter dem Vorwand von Kosten- oder Wettbewerbsdruck versuchen könnten, das BGE als Mittel zum Lohndumping oder auch von vornherein als „Kombilohn“ zu missbrauchen. Dieses Risiko ergibt sich vor allem an Standorten von großen Konzernen (Beispiele: VW in Wolfsburg, Bayer in Leverkusen) wo die Beschäftigten – selbst mit einem BGE – aufgrund der Monopolstellung solcher Unternehmen auf dem Arbeitsmarkt kaum über Verhand-lungsmacht verfügen und  insofern auf  deren Jobangebote angewiesen sind. Auch nach Einführung eines BGE sollte deshalb auf jeden Fall der gesetzliche Anspruch auf Mindestlohn weiter gelten, um so möglichst prekäre Teilzeitbeschäftigungsverhältnisse  auszuschließen.

„Denkraum Arbeit“ http://denkraumarbeit.de, eine Initiative des Progressiven Zentrums  und der Friedrich Ebert-Stiftung, hat unter dem Namen „Gesellschaftsvertrag Solidarische Flexibilität“ grundsätzlich durchaus diskussionswürdige Vorschläge für ein individuelles Teilzeit-arbeits-Wahlrecht  oder auch eines Bonus-Malus-Systems bezüglich der Arbeitsbedingungen von Unternehmen gemacht.
Ein zeitlich begrenztes „Teilzeit-Wahlrecht“, das – wie es dort heißt – über einen „aktiven Staat“ finanziert würde, stellt ja im Grunde nichts Anderes als ein punktuelles und partielles Grundeinkommen dar, allerdings mit einem entscheidenden Manko: Einzelnen erwachsenen Bürgern wird nach diesem Modell – im Unterschied zu einem BGE – auch weiterhin generell nicht zugetraut, ihr Leben ohne Kontrolle oder Zwang zu Gegenleistungen wirklich selbst in die Hand zu nehmen.

Das Konzept eines Bonus-Malus-Systems bei vorbildlichen, bzw. problematischen Arbeitsbedingungen ist seinerseits eine originäre Idee der Gemeinwohlökonomie. Dort sind die Arbeitsbedingungen allerdings nur ein Element in einer ganzen Reihe von Parametern einer um-fassenden „Gemeinwohlbilanz“, zu der beteiligte Unternehmen sich freiwillig verpflichten. Wenn die Autoren von „Denkraum Arbeit“ sich ernsthaft für eine Gemeinwohlorientierung der Ökonomie engagieren wollen,dann sollten sie deshalb gleich eine solche Gemeinwohlbilanz in ihre Überlegungen einbeziehen. Die wurde übrigens bereits 2015 hochoffiziell vom Wirtschafts- und Sozialausschuss des europäischen Parlaments gelobt und mehrheitlich ausdrücklich als wegweisendes Konzept empfohlen.

Trotz einer Reihe von zu bedenkenden Risiken erscheint inzwischen in zahlreichen dafür geeigneten gesellschaftlichen Bereichen eine zeitnahe Digitalisierung und Vernetzung von Produkten und Dienstleistungen plausibel und auch durchaus wünschenswert. Wird es aber gleichzeitig  –  möglichst damit verknüpft – Maßnahmen zur Entschleunigung und Begrenzung von ökonomischem Wachstum geben? Zu wünschen wäre dies, ist aber bisher nicht absehbar.

Leider ist eben davon auszugehen, dass die Wirtschaft nicht freiwillig zu solchen Maßnahmen bereit sein wird, zumal derzeit die Finanzmärkte Milliardensummen in die Digitalisierung investieren und dafür ent-sprechende Renditen erwarten.  Zu erwarten ist deshalb eher, dass der Konkurrenzdruck und das Bestreben nach Gewinnmaximierung noch weiter steigen. Ein probates Mittel, um diesen Tendenzen zu begegnen, könnten lohnende Steuersparanreize sein, etwa in Form von finanziellen Vorteilen oder Erstattungen bei der Körperschaftssteuer für Unternehmen, die bereit wären, auf Gewinnmaximierungsstrategien zu verzichten, bzw. sich einer Gemeinwohlbilanz zu unterziehen. Zahlreiche Beispiele aus der bereits existierenden Praxis der Gemeinwohlökonomie zeigen: Bei kleinen und mittleren Unternehmen, die sich von solchen Vorteilen überzeugen lassen, können derartige Anreize durchaus greifen. Größere oder gar multinationale Konzerne mit großer Marktreichweite lassen sich dadurch allerdings bisher kaum beeindrucken. Gerade darauf käme es freilich an, wenn das Ziel eine nachhaltige und solidarische Gesellschaft in Europa sein soll[1].

– Ethisch wie ökonomisch und ökologisch fragwürdige Großprojekte von Großkonzernen,  wie z.B. die Entwicklung selbstfahrender Autos, die Durchsetzung menschenverachtender Marktstrategien mittels  Standort-verlagerung in Billiglohnländer oder auch ein die Demokratie unter-wandernder systematischer Lobbyismus lassen sich vermutlich nur durch entschlossene gesetzgeberische Maßnahmen ausbremsen, die das aktuelle System insgesamt in Frage stellen. Leider scheint dazu bisher der politische Wille weitgehend zu fehlen. Die  Einführung eines BGE in Verbindung mit mehr Gemeinwohlorientierung könnte gleichwohl im öffentlichen Bewusstsein immerhin einen allmählichen Stimmungs-umschwung in Richtung von mehr Erfahrung realer Solidarität und verantwortlicher demokratischer Teilhabe einleiten.

Paradoxerweise stehen die Chancen für eine Einführung des BGE in diesem Sinn auf europäischer Ebene vielleicht sogar besser als in einem nur nationalstaatlichen Rahmen. Diese gewagte These bedarf näherer Begründung. Auf den ersten Blick spricht angesichts des drohenden Zerfalls der EU ja eher alles gegen ein solches Szenario. Nach dem Motto „Zukunft entsteht aus Krise“ ist es aber nicht abwegig, genau darin eine Chance zu sehen. Im Grunde ist die aktuelle Situation nämlich durchaus vergleichbar mit der nach dem 2.Weltkrieg. Damals wie heute standen bzw. stehen wir vor einem Scherbenhaufen. Zum Glück besteht der heute nicht aus Kriegstrümmern, sondern „nur“ aus einer fehlgeleiteten, letztlich gescheiterten EU-Politik. Die Herausforderung aber ist vergleichbar.  Sie lautet:  Europa neu denken !

Die Politologin Ulrike Guérot hat sich mit ihrem lesenswerten Buch „Warum Europa eine Republik werden muss – eine politische Utopie“ dieser Herausforderung gestellt. Mehr Gemeinwohlorientierung ist eine wesentliche Grundlage ihres Konzeptes einer postnationalen euro-päischen Republik. Auf Nachfrage hat sie ausdrücklich bestätigt, dass sie auch ein BGE ausdrücklich als eine innovative, an ihr Konzept anschlussfähige Idee betrachtet.

Wer den Begriff der Arbeit von der Idee des Grundeinkommens her denkt, begreift, dass sein Einkommen, und damit sein Auskommen, nicht länger von einer Erwerbsarbeit abhängt. Er kann also in seinem Kopf Arbeit und Einkommen als Grundlagen der Existenzsicherung von-einander trennen. Noch wichtiger ist die Konsequenz daraus, nämlich die, dass er die Arbeit, die nicht Erwerbsarbeit ist, – z.B. Hausarbeit, Pflegearbeit, freiwillige Arbeit, ehrenamtliche Arbeit….in einem Wort: jede wirklich selbstbestimmte Arbeit – umso mehr schätzen kann. Solche Steigerung der Wertschätzung von selbstbestimmter Arbeit macht den Sinn und Wert eines BGE aus, denn es zeigt sich darin: Es ist menschenfreundlich, es dient dem guten Leben, – mit Erich Fromm gesprochen – es drückt die Liebe zum Leben aus.

Das Risiko in einem weitgehend durch Digitalisierung bestimmten Arbeitsalltag liegt darin, dass die Menschen zunehmend zu Sklaven einer von Maschinen bestimmten Welt werden. Dieses Risiko kann In dem Maße minimiert werden, wie sie sich dank eines BGE die Souveränität über ihr Leben zurückholen. Die Gemeinwohlökonomie kann ihrerseits dafür sorgen, dass entsprechende Risiken von vornherein ausgeschaltet oder zumindest reduziert werden, indem diese bei den Parametern der Gemeinwohlbilanz berücksichtigt werden.

Abschluss-Statement

 Für die Bewertung der Arbeit in einer zunehmend global vernetzten und digitalisierten Welt ist insoweit der entscheidende, allem anderen übergeordnete Maßstab die Frage:  Wie menschenfreundlich – oder wie menschenfeindlich erleben die Menschen die Arbeit?  Dient sie der Liebe zum Leben oder wirken ihre Bedingungen und Organisations-formen sich letztlich destruktiv auf das Leben aus ? Eine digitalisierte Gesellschaft erscheint, trotz offener Fragen und Risiken, mit menschenfreundlichen Arbeitsbedingungen durchaus vereinbar. Die Einführung eines BGE und einer stärkeren Gemeinwohlorientierung der Ökonomie – am besten gleich in Europa – wären dafür besonders förderliche Voraussetzungen.

O. Lüdemann


[1]

Ein von Harald Welzer angeregtes Forschungsprojekt:

http://nachhaltigeswirtschaften-soef.de/givun, bei dem sich erstmalig auch große Konzerne wie Deutsche Post, dm und das Versandhaus OTTO beteiligen, stellt sich derzeit dieser Herausforderung.

Angriff mit Banane
Siemens & Co – die falschen Freunde?

Manchem langjährigen Befürworter des Grundeinkommens kommt es möglicherweise schon ein wenig unheimlich vor, dass immer mehr namhafte Chefs von großen Konzernen für sich das Grundeinkommen entdecken. Im letzten Jahr hatten sich bereits Tim Höttges, Chef der Telekom AG, und  Dr. Sven Leukert, Vicepräsident des  deutschen Softwareunternehmens SAP, für ein Grundeinkommen ausgesprochen. Nicht, dass sie ein Grundeinkommen nötig hätten, so gering ist die Entlohnung von Vorständen in Deutschland noch nicht, aber es scheint sich auch auf den obersten Ebenen von großen Konzernen die Einsicht durchzusetzen, dass angesichts des technischen Wandels, der immer mehr und immer wieder mit dem Schlagwort „Industrie 4.0“ in Verbindung gebracht wird, eine neue bessere soziale Absicherung ihrer Mitarbeiter und der von der bezahlten Arbeit Freigesetzten von Nöten ist. Es würden absehbar „einige auf der Strecke bleiben, weil sie einfach nicht mehr mitkämen“, warnte Kaeser auf dem SZ-Wirtschaftsgipfel. Zur Finanzierung kann Tim Höttges sich immerhin vorstellen, das Grundeinkommen durch die Besteuerung der Gewinne großer Internetkonzerne sicherzu stellen.

Wird die Idee vom Grundeinkommen nun durch die DAX-Konzerne übernommen? So weit sind wir sicherlich noch nicht und zu erwarten ist das auch nicht.  Aber auffällig ist doch, dass Konzernchefs sich überhaupt Gedanken darüber machen, dass die aus dem technischen Wandel resultierende Produktivität, die zunehmend eine Produktivität von Maschinen, Computern oder Robotern sein wird, ziemlich gnadenlos Arbeitsplätze hinwegfegen wird. Es werden auch nicht quasi automatisch neue entstehen, wie es jahrzehntelang gewesen ist. Die OECD rechnet damit, dass in den nächsten Jahren bei einem Wegfall von sieben Arbeitsplätzen nur noch zwei neue Arbeitsplätze entstehen werden. Die Gewerkschaften und viele Politiker hinken bei diesem Thema hinterher, wie leider so oft bei grundsätzlichen gesellschaftlichen Problemen. Das Grundeinkommen ist allerdings ein Projekt der Zivilgesellschaft, und nicht unbedingt eines der politischen Parteien. Die Gesellschaft muss das Grundeinkommen ausdiskutieren und dann der Politik die Vorgaben machen.

Die Konzernchefs, die offenbar über intime Kenntnisse darüber verfügen, wie sich die Arbeitswelt verändert, insbesondere wie sich die Beschäftigungslage und die Einkommenssituation entwickelt, sind ein Teil der Zivilgesellschaft und eingeladen, sich aktiv in die Diskussion über ein Grundeinkommen einzubringen. Vorbildlich hat dies in den letzten 10 Jahren der Unternehmer Götz Werner von „dm“ getan.  Insoweit ist auch Joe Kaeser, sind die anderen Konzernchefs als Mitglieder der Zivilgesellschaft, herzlich eingeladen, sich an der Diskussion über ein Grundeinkommen zu beteiligen, ob Freund oder nicht.

Wachsendes Geld
Einkommen ohne Bedingung

Autor: Thorsten Schoop

Warum das bedingungslose Grundeinkommen vielversprechend ist.

Der Schweizer Think-Tank avenir suisse hat sich in Person von Lukas Rühli zum Grundeinkommen geäußert. Zu einigen Punkten soll hier Stellung genommen werden.

Automatisierung

Der Autor sagt, der technologische Fortschritt vernichtet keine Arbeitsplätze. Die Geschichte hat schon zur Genüge widerlegt, dass das Produktivitätswachstum keinerlei Einfluss auf die Arbeitslosigkeit hat. Bisher hat der technologische Fortschritt nie zu erhöhter Arbeitslosigkeit geführt, sondern zu mehr Wohlstand durch steigende Reallöhne und Güternachfrage.

Festzustellen ist jedoch, dass die technologische Entwicklung exponentiell erfolgt und zu Ergebnissen führt, die es in der Vergangenheit nicht gegeben hat. Maschinen und Roboter ersetzen nicht nur die menschliche Muskelkraft sondern zunehmend auch das Denken. Humanoide Roboter haben einen Körper, der dem des menschlichen Vorbildes nachempfunden ist. Diese Roboter sind selbstlernend und entwickeln sich schnell weiter. Ein Blick in die Labore des Fraunhofer-Institut für Intelligente Analyse- und Informationssysteme, Sankt Augustin oder Institute of Robotiks, ETH Zürich oder Department of Human Science, Universität Osnabrück oder KUKA Roboter GmbH, um nur einige wenige zu nennen, belegen dieses. Alleine Google mit seiner enormen Kapitalkraft und innovativem Potenzial hat die Firmen Bosten Dynamics, Industrial Perception, Meka Redwood Robotics, Bot & Dolly und noch einige andere innerhalb der letzten neun Monate gekauft. Facebook, Apple und Amazon waren in der Firmenakquisition in diesen Branchen ebenfalls schon aktiv. Und es gibt viele weitere Entwicklungen. Das selbstfahrende Auto, wird die Fahrer in der Logistik, Kurierbereich und Taxis ersetzen. Unter dem Begriff Industrie 4.0 wird das Internet der Dinge weiter wachsen. Werkstücke bestimmen ihren eigenen Produktionsprozess. Auf die zukünftigen Möglichkeiten von 3D-Druckern oder des Werkstoffes Graphen (allein die EU investiert hier in die Forschungsinitiative „The Graphene Flagship“ über eine Milliarde Euro) soll an dieser Stelle nicht näher eingegangen werden. Die Wirtschaftswissenschaftler Erik Brynjolfsson und Andrew McAfee vom Massachusetts Institute of Technology (MIT) oder auch Carl Benedikt Frey und Michael Osborne von der Oxford University bestätigen in ihren Forschungsergebnissen, dass der technische Fortschritt unter dem Strich viele Erwerbsarbeitsplätze kosten werden.

Das diese Entwicklungen mit dem Hinweis auf die Geschichte aus Sicht der avenir Suisse „keinerlei Einfluss auf die strukturelle Arbeitslosigkeit“ haben wird, ist nur damit zu erklären, dass sie sich damit nicht beschäftigt haben. In dem avenir Standpunkte 5 Papier ist hierzu nichts beschrieben.

Lohnquote

Die Lohnquote hilft in der Diskussion um das bedingungslose Grundeinkommen nicht wesentlich weiter. Dafür sind diese Daten zu wenig aussagekräftig. Eine steigende Lohnquote könnte auch darauf zurückzuführen sein, dass eine Verschiebung zu den Empfängern mit höherem Lohn stattgefunden hat. Gerade ein hohes Bildungs- und Qualifizierungsniveau (wie z.B. in der Schweiz) ist ein Beleg dafür. Eine hohe Lohnquote kann auch von wenigen Lohnempfängern mit äußerst hohem Lohn (Investmentbanker, Vorständler u.a.) erreicht werden. Es gibt viele Quellen, die diese Entwicklung belegen, als Beispiel sei hier nur auf den OECD Report Wirtschaft, Umwelt, Gesellschaft verwiesen.

Eigenverantwortung

Der Autor meint mit Eigenverantwortung, die Fähigkeit zu haben, seinen Lebensunterhalt selbst zu erwirtschaften. Unser derzeitiges Prinzip in der Erwerbstätigkeit ist es, eine Leistung zu erbringen und dafür eine Gegenleistung (Lohn) zu erhalten. Dabei spielt für den Erwerbstätigen eine große Rolle, herauszufinden, wo es diese Gegenleistung gibt und in wie fern seine Leistung hierzu passt. Dieses ist ein Teil seiner Eigenverantwortung, er muss also dafür sorgen, dass seine Leistung auf eine Gegenleistung trifft. Falls das nicht möglich ist, muss er seine Qualifikation entsprechend verändern. Die persönlichen Talente und Interessen spielen dabei eine untergeordnete Rolle. Falls er Lehrer ist, jedoch keine gesucht werden, muss er eben Buchhalter werden. Die menschliche Arbeitskraft muss sich den Anforderungen des Arbeitsmarktes anpassen. Auf diese Weise entstehen hohe Krankenstände, unmotivierte Arbeitnehmer und fehlerhafte Arbeitsergebnisse. Der volkswirtschaftliche Schaden geht in die Milliarden.

Sollte es zukünftig ein bedingungsloses Einkommen geben, werden insbesondere in den unteren Lohngruppen, viele Arbeitnehmer nicht mehr arbeiten wollen – zu den bisherigen Bedingungen. Der Unternehmer müsste in diesem Fall den Lohn erhöhen oder rationalisieren. Hierbei hilft ihm der technische Fortschritt. Es gibt aber auch Kassiererinnen oder Reinigungskräfte, die diesen Job gerne machen und glücklich sind. Diese Arbeitnehmer werden auch dann arbeiten wenn es ein Grundeinkommen gibt. Der Arbeitgeber hat dann die Gewissheit, dass er einen Arbeitnehmer hat, der motiviert ist und seinen Job nicht nur wegen des Geldes macht. Sollte es dennoch eines Tages notwendig sein auch diesen Arbeitsplatz zu automatisieren, wird der ehemalige Arbeitnehmer nicht in Existenzängste gestürzt.

Grundeinkommen Finanzierung

Die Finanzierung des BGE ist über die Konsumsteuer (Mehrwertsteuer) möglich ohne dass sich die Endverbraucherpreise ändern. Somit sind keinerlei Nachteile für sozialschwache Gruppen zu befürchten. Auch eine erhöhte Schwarzarbeit wird es aufgrund des hohen Unterschiedes zwischen Netto- und Bruttopreisen nicht geben. Vielmehr wird das Grundeinkommen die Flexibilität und die Innovationskraft der Unternehmen steigern. Inländische Unternehmen erhalten durch das konsumsteuerfinanzierte Grundeinkommen sogar einen deutlichen Wettbewerbsvorteil. In dem Artikel Technischer Fortschritt führt zu bedingungslosen Ggrundeinkommen – finanziert durch Mehrwertsteuer ist Näheres beschrieben. In diesem Zusammenhang ist auch das Video Grundeinkommen – ein Kulturimpuls zu erwähnenswert.

Mit der Finanzierung hat sich der Autor nicht ausführlich auseinander gesetzt. Ansonsten sind Aussagen wie „Ob ihm (das Individuum) nun die Steuer vom Einkommen abgezogen oder beim Kauf eine Gutes auf den Preis aufgeschlagen wird, spielt in dieser Abwägung keine Rolle“, nicht erklärbar. Die Vergleiche zur negativen Einkommenssteuer von Milton Friedmann helfen nicht weiter.

Anreize

Bedenklich ist das Menschenbild des avenir suisse Autors. Es geht davon aus, dass ein heranwachsender Mensch nur unter dem „Druck, Geld zu verdienen“, motiviert ist. Der Autor meint sogar, wer dieses bezweifelt ist „naiv“. Sollte ein derartiger Druck fehlen, werden sich die heranwachsenden langfristig selber entmündigen. Diese Aussage ist selbstentlarvend und bedarf im Grunde keiner weiteren Äußerung. Da dieses jedoch ein Kernthema der Diskussion ist, soll dennoch etwas näher darauf eingegangen werden.

In der Persönlichkeitspsychologie werden fünf Hauptelemente beschrieben, die die Persönlichkeit eines Menschen ausmachen. Der Neurotizismus (Neurosen), die Intro- und Extroversion, die Offenheit für Erfahrungen (Neugier), die Verträglichkeit (Umgang mit anderen Menschen) und die Gewissenhaftigkeit. Diese Merkmale sind mehr oder weniger in die eine oder andere Richtung zu ca. 50 % angeboren. Die anderen 50% werden durch Umweltfaktoren bestimmt, also Erziehung, Bildung u.a.

Entsprechend dieser Persönlichkeitsmerkmale sollte jeder Mensch die Möglichkeit haben seine individuellen Talente, Hobbies und Interessen zu entdecken und weiter zu entwickeln. Diese Entwicklung muss auf den einzelnen Menschen ausgerichtet sein und keinesfalls auf äußerliche Faktoren (du musst Anwalt werden, Opa und ich waren es auch). Es liegt auf der Hand, dass die Ausübung oder das vorhanden sein von äußerlichem Druck (auch späterer monetärer Druck), diese Entwicklung nicht fördert sondern eher hemmt.

Unsere Gesellschaft und das Bildungssystem sollten diesen langjährigen Entwicklungsprozess unterstützen. Dann entwickeln sich die Menschen zu einzigartigen Individuen, die mit Hingabe und Lust freiwillig einen wertvollen Beitrag für die Gesellschaft erbringen – ohne monetären Zwang. Und wer wirklich gut ist, der bekommt für seine Fähigkeiten und Leistungen auch mehr Geld.

Fazit

Sollte die Schweiz das erste Land sein, das ein konsumsteuerfinanziertes bedingungsloses Grundeinkommen einführt, wird es die inländischen Unternehmen stärken, einen volkswirtschaftlichen Aufschwung erhalten und sich gesellschaftlich weiterentwickeln. Habgier und Egoismus verlieren zugunsten von Toleranz und Ausgeglichenheit. Da es, wie avenir suisse richtig sagt, ein neuer Gesellschaftsentwurf ist, braucht es etwas Mut, um diesen auch tatsächlich umzusetzen. Andere Länder werden sich daran orientieren.

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