Als Hebamme, Artistin und Mutter beschäftigt mich die Grundeinkommensthematik schon seit längerer Zeit, sowohl auf beruflicher, als auch auf künstlerischer und spiritueller Ebene.

Schon vor mehr als 10 Jahren, im Rahmen des Hamburger Festivals „Gespräche über morgen“, auf Kampnagel, haben zwei Personen einen besonders nachhaltigen Eindruck bei mir hinterlassen, nämlich Götz Werner und Ulrike Herrmann.

Was mir an ihrem Podiumsgespräch so gefiel, war, dass Götz Werner als „Visionär“ die Lichtseiten dieser „Utopie“ hervorhob und Ulrike Herrmann für mich so etwas wie die „Schattenseitenbeleuchterin“ derselben Idee war. Deshalb fand ich es so gut, dass beide da waren! Es wirkte auf mich so, als würden sie im besten Sinne des Wortes einen guten Kampf miteinander führen, einen Kampf, der diese Idee greifbarer macht und sie in ihrer Vielschichtigkeit beleuchtet.

Was mich schon damals berührte, gilt unverändert immer noch: Als Hebamme konnte und kann ich nicht anders, als das, was durch das „bedingungslose Grundeinkommen (BGE)“ an Prozessen freigesetzt wird, mit Vorgängen zu vergleichen, die ich als Geburtshelferin kenne. Da die Idee des BGE darauf basiert, Vertrauen in jedes Individuum zu setzen, kann sich diese Idee nur an „Prozessen des Lebens“ orientieren, die genau darauf aufbauen, eben da, wo Vertrauen eine enorme Rolle spielt.  Wo, wenn nicht bei einer Geburt, werden an Vertrauen gekoppelte Lebensprozesse in ihrer Essenz so gut sichtbar! So möchte ich die Bilder und Vergleiche, die mir schon damals dazu kamen, erneut aufgreifen:

Das „Bedingungslose Grundeinkommen“, als Idee schon „gezeugt“, ist in seiner Umsetzung noch ein „ungeborenes Kind“. Doch es ist schon gut herangereift, denn es breitet sich wellenartig aus. Man könnte sagen, „Vorwehen“ gibt es schon. Das BGE als solches ist in der Gesellschaft längst ein vertrauter Begriff. Die Nachricht von dieser „neuen“ Idee, von diesem „kommenden“ Kind, hat sich ausgebreitet, und zwar ziemlich rapide, so wie auch ein ungeborenes Kind rasanten Wachstumsprozessen unterliegt. Aktuell gehen immer mehr Menschen mit dieser Idee „schwanger“. 

Diejenigen, die diese Idee mitgezeugt haben und sie vorantreiben, sind die Visionäre. Wie eben ein Götz Werner oder auch eine Susanne Wiest, die mit ihrem unerschütterlichen Glauben an das „Grundeinkommen“ sich wie eine werdende Mutter verhält, die ganz eins ist mit ihrem Kind (mit ihrer Idee). Dieser unerschütterliche Glaube und die starke Verbindung zu dem „Kind“ ist die Voraussetzung dafür, damit eine Geburt, hier die Umsetzung einer Utopie, gut verlaufen kann.

In der Geburtshilfe gehört für eine Hebamme zu einer guten Vorbereitung nicht nur das bedingungslose Vertrauen in die Kraft einer jeden Gebärenden und jedes Kindes, sondern ebenso auch die Fähigkeit, den Zweifeln und Ängsten der Schwangeren Raum zu geben und diese als solche anzuerkennen (so wie auch die Bedenken von Ulrike Herrmann ihren Platz brauchten).

Im besten Fall schafft eine Hebamme es, der Schwangeren Wege aufzuzeigen, wie sie ihre Angst vor der Geburt in Respekt davor verwandeln kann, nämlich in Respekt vor den gewaltigen Kräften, die sich bei einer Geburt zeigen, was hilft, die Schwelle der Angst im guten Sinn zu überwinden.

Ebenso hätte ich persönlich Ehrfurcht und Respekt vor dem, was gesellschaftlich passieren würde, wenn das BGE erst einmal ungesetzt werden würde. 

Aber zurück zur Geburtshilfe: Das Allerwichtigste unter einer Geburt ist, die Gebärende mit ihrem Urvertrauen und ihrer Intuition rück-zu-verbinden, denn der unerschütterliche Glaube an „innere Führung“ ist die wichtigste Essenz in Prozessen von Leben überhaupt.

Einfach, um mit derartigen Kräften überhaupt umgehen zu können, um „präsent“ und „ganz im Moment“ sein zu können. (Bei krassen gesellschaftlichen Umwälzungen wäre das für jeden Einzelnen sicher auch von Vorteil).

Was mich bei Geburten immer wieder am meisten beeindruckt: In dem Moment, wo eine Frau unter der Geburt emotional an den Punkt kommt, annehmen zu können, dass sie keine Kontrolle mehr über den Prozess hat, dass ihr lediglich bleibt, sich dem Ganzen hinzugeben, weil sie sonst nur „überrollt“ wird, genau dann läuft es gut! Wenn diese gewaltigen Naturkräfte sie in die Gegenwart zwingen, wenn es keine Vergangenheit und keine Zukunft mehr gibt, wenn nur noch der Moment bleibt. Jede Hebamme kann das bestätigen.

Um auf den Anfang zurückzukommen: Ich verstehe Ulrike Herrmann, wenn sie immer wieder betont hat, „dass man das finanziell alles gut, und am besten noch besser, durchrechnen muss“, ein auch in der Geburtshilfe ähnliches, bekanntes Verhalten, das bei werdenden Eltern auftaucht, die für die Geburt im „Außen“ alles Erdenkliche absichern möchten (Im Falle des Grundeinkommens: Einen durch-strukturierten und durchkalkulierten Plan haben, wo alle erdenklichen Abläufe im Vorfeld mit einberechnet werden. Ich denke, dass eine solche „Vorsichts-Haltung“ grundsätzlich nicht verkehrt ist, um alle Eventualitäten zu berücksichtigen, mit Spezialisten an seiner Seite, die am ehesten realistische Prognosen abgeben können. Trotzdem möchte ich dazu gerne die zwei klassischen, einzigen Regeln zitieren:

Es gibt nichts, was es nicht gibt, und es kommt auf jeden Fall anders, als man denkt.

So dürfte es auch mit dem Grundeinkommen sein: Auch die Idee des BGE kann sich nur an Lebensprozessen orientieren, die auf Vertrauen basieren und von ihrer Dynamik her kaum vorhersehbar sind.

Vertrauen ist nun mal keine messbare oder in Zahlen ausdrückbare Größe. Niemand wird vorausberechnen können, welche Dynamik die Einführung eines Bedingungslosen Grundeinkommens auslösen wird, ganz gleich, was man dazu alles vorher durchgerechnet hat.

Zum Schluss noch dies: Die gefährlichste Phase in der Geburtshilfe ist die Nachgeburtsphase, wenn die scheinbar größte Hürde, die Geburt, geschafft ist.  Oft wird man dann mit unerwarteten Dingen überrascht, weil die Wachsamkeit nachlässt. Das macht diese Phase so gefährlich.

Übertragen auf das Grundeinkommen: Nach Einführung des Grundeinkommens sollten Offenheit und Wachsamkeit bleiben, um zu beobachten, welche Dynamik real in Gang gesetzt wird, welche Anpassungen an unerwartete Situationen notwendig sind. Auf Flexibilität und Vertrauen dürfte es ankommen, bei jedem Einzelnen, aber vor allem bei politisch Verantwortlichen. Aber auch Führungskräfte wären gefragt, die im besten Sinne auf „innere Führung“ setzen, Leute, die ehrlich sind und auch mal sagen können: „ich weiß es nicht, ich hab jetzt gerade keinen exakten Plan vor Augen, aber ich kann warten, denn ich bin sicher, dass sich der nächste Schritt zeigen wird, Menschen, die „Leere“ aushalten können, bis der nächste klare Impuls kommt, die niemandem beweisen müssen, wie scheinbar allwissend sie sind.

Zur Zeit denke ich: Unsere Gesellschaft und Politik, so wie sie jetzt funktioniert, bewegt sich mehr denn je auf einen gewaltsamen „Tod“ zu , wie bei einem Drogensüchtigen, der bis zu seinem letzten Kick nur noch in einer Scheinwelt lebt, die es real gar nicht mehr gibt.

Meine Hoffnung ist, dass mit der Einführung eines Grundeinkommens der Tod dieser Gesellschaft, so wie sie jetzt ist, zwar auch nicht zu vermeiden wäre, aber dass es vielleicht doch ein „geschmeidigerer Tod“ wäre, mit besseren Chancen und Möglichkeiten für die meisten von uns.