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Wolken
Grundeinkommen kostet nichts

Autor: Stefan Bürk

Grundeinkommen kostet nichts. Denn in einer Volkswirtschaft gibt es gar keine Kosten. Meine Kosten, die ich für eine Wurst bezahle, werden zum Einkommen des Metzgers und aller Menschen, die an der Wurstproduktion beteiligt waren. Des einen Bürgers Kosten sind des anderen Bürgers Einkommen. Immer. Über alle Bürger gerechnet heben sich Kosten und Einkommen exakt auf. Insofern gibt es volkswirtschaftlich gar keine Kosten, somit kostet das Grundeinkommen nichts.

An dieser Argumentation scheint auf den ersten Blick etwas faul zu sein. Denn dann würden ja auch Autobahnen, Schulen, Theater und die Feuerwehr nichts kosten, denn auch die Kosten dafür sind ja nichts anderes als die Einkommen der damit Beschäftigten, saldieren sich also zu Null. Also könnte sich unsere Gesellschaft beliebig viele Straßen, beliebig viel Bildung leisten. Das kann natürlich nicht sein.

Wo liegt der Denkfehler? Wenn wir eine Autobahn bauen, dann fallen die Kosten für einen konkreten Zweck an. Nämlich dafür, dass Arbeiter mit Baumaschinen Erde bewegen, dass Ingenieure Planungen machen, dass Rohstoffe für die Autobahn verwendet werden. Die Ausgaben dafür sind nicht nur Einkommen für den Bauarbeiter, den Ingenieur und den Besitzer von Rohstoffen, sie sind auch ein Zeichen für Knappheit. Der Arbeiter, der an der Autobahn baut, kann nicht gleichzeitig einen Radweg bauen, der Ingenieur, der die Straße plant, kann nicht gleichzeitig als Lehrer tätig sein, und der Beton, der für Autobahnbrücken verwendet wird kann nicht zum Bau von Theatern eingesetzt werden.

Das Geld, das der Autobahnbaubau kostet, hat somit seine Entsprechung in der Realwirtschaft, und es ist somit verloren für andere Dinge. Wobei es eben streng genommen nicht das Geld ist, das begrenzt ist (Geld kann man unbegrenzt nachdrucken), sondern die damit verbunden Ressourcen. Insofern wäre es falsch zu sagen, der Bau einer Autobahn, eines Schule oder eines Wohnhauses würde volkswirtschaftlich nichts kosten.
Ganz anders sieht es aber auch, wenn Geld für ein bedingungsloses Grundeinkommen ausbezahlt wird. Dieses Einkommen ist per Definition bedingungslos, es wird ohne irgendeine Gegenleistung ausbezahlt. Es bindet keinerlei Ressourcen. Keine Arbeitskraft, keine Rohstoffe, nichts. Insofern ist ein bedingungsloses Grundeinkommen  volkswirtschaftlich in der Tat kostenlos.

Nun könnte man auf die Kaufkraft des Grundeinkommens blicken und meinen, dass es doch Ressourcen bindet, weil jeder sich mit dem Grundeinkommens verschiedenste Dinge kaufen kann, deren Herstellung Arbeitszeit und andere endliche Ressourcen beansprucht. Dieses Argument wäre zutreffend, wenn das Grundeinkommen zusätzlich zu allen bisherigen Einkommen ausgezahlt würde. Mit der Einführung eines Grundeinkommens muss und wird aber die Kaufkraft der bedingten Einkommen in gleichem Maße sinken. Dabei spielt es in diesem Zusammenhang keine Rolle ob das Sinken der nicht-bedingungslosen Einkommen durch Einkommenssteuer, geringere Gehälter, eine höhere Konsumsteuer oder durch Preissteigerungen der Güter erfolgt.

Es handelt sich somit beim bedingungslosen Grundeinkommen in keiner Weise um Ressourcen,  die zusätzlich in der Volkswirtschaft bereitgestellt werden, sondern um einen Teil dessen, was wir ohnehin verbrauchen. Nur dass der Zugang zu diesen Ressourcen nicht mehr von Erwerbsarbeit abhängig gemacht wird, sondern bedingungslos jedem zugestanden wird.

Es gibt sicher viele interessante Fragen zum bedingungslosen Grundeinkommen. Viele Bedenken, die ernst genommen werden müssen. Die Frage nach der Finanzierbarkeit eines Grundeinkommens aber ist absurd, weil das bedingungslose Grundeinkommen vollkommen kostenlos ist.

Obdachlos
Ist der “Schröderisme” gut für Europa? – Non!

Am 23. Mai 2013 feierte die SPD in Leipzig die Gründung des ADAV, des Allgemeinen Deutschen Arbeitervereins, vor 150 Jahren, der Keimzelle der heutigen SPD. Damit begann eine Bewegung für mehr Demokratie und eine gerechtere Teilhabe am Volkseinkommen. Und es begann der Kampf um soziale Schutzrechte, der in den 1880er Jahren einen ersten Höhepunkt in der Schaffung einer Kranken- und Rentenversicherung für Arbeiter erreichte, die landläufig als Bismarcksche Sozialreformen bezeichnet werden. Der Kampf um einen gerechten Sozialstaat ist bis heute nicht beendet. Nur wird er heute noch von der SPD getragen? Vor kurzem wurde auch der Schaffung der so genannten Hartz-Gesetze aus dem Jahr 2003 gedacht und hat sich der Hauptverantwortliche, der Kanzler von 2003, Gerhard Schröder, dafür von seiner Partei und in der medialen Öffentlichkeit feiern lassen. Viel Beifall bekamen Schröder und die SPD dafür in Leipzig auch vom sozialistischen französichen Präsidenten Francois Hollande.

In einem Gastbeitag für die “Frankfurter Rundschau” vom 24.5.13 hat der Göttinger Politikwissenschaftler Prof. Franz Walter eine ganz andere Stimme aus Frankreich zu Wort kommen lassen. Unter der Überschrift “Deutschland ist kein Vorbild” referiert Walter Überlegungen und Einsichten des Chefredakteurs der Zeitschrift “Alternatives Economiques”, Guillaume Duval, eines vorzüglichen Kenners der deutschen Verhälnisse. Danach steht Deutschland in Europa vergleichsweise gut da: “nicht wegen der Schröderschen Reformen, sondern trotz dieser alles andere als segensreichen Weichenstellungen des Jahres 2003.” Nach Ausführungen über die Vorzüge des deutschen Wirtschafts- und Gesellschaftsmodells kommt es bei Duval und Walter knüppeldick: “Der sozialdemokratische Kanzler sei der Propaganda orthodoxer Wirtschaftswissenschaftler und Medienstrategen mangels eigener politischer Substanz auf den Leim gegangen und habe die dort dominierende Interpretation, dass in Deutschland die Ausgaben für das Sozialsystem und den öffentlichen Sektor überbordend seien, kritiklos übernommen. Dadurch konnten sich in den sieben rot-grünen Jahren Ungleichheit und Armut spektakulär ausbreiten. …. Die ergeizige Steuerreform von Schröder mehrte das Vermögen der besitzenden Klasse, …. Die Kaufkraft der Deutschen sank ebenfalls in dieser Zeit einer “beispiellosen Attacke gegen das deutsche Sozialsystem.””

Auch bei Duval und Walter wird deutlich, dass wir in Deutschland kein Ausgabenproblem hatten und haben, sondern vielmehr ein erhebliches Einnahmenproblem. Durch Steuersenkungen, Steuerhinterziehung und raffinierte Steuervermeidungsstrategien fehlte und fehlt es an allen Ecken und Kanten für Bildung, für die Sanierung der öffentlichen Infrastruktur und für eine Vorsorge vor dem Hintergrund der sich abzeichnenden demografischen Probleme. “Der “Schröderisme” (wie auch der Merkelismus), so Duval, sei weit davon entfernt, die Lösung für die Probleme in Europa zu bedeuten.” Was heißt das für uns in Deutschland? Wir brauchen keine wirtschaftsliberale SPD und keine sozialdemokratisierte CDU, sondern Parteien, die weniger zurück blicken, sondern mutig nach vorne schauen. Wer hat die Kraft dazu? Wir brauchen Frauen und Männer, die Wirtschaft nicht als “die Deutsche Wirtschaft” begreifen, sondern als ein umfassendes Agieren aller Menschen, ein Wirtschaften, dass zu allererst dem Gemeinwohl dient und allen Menschen einen gerechten Anteil am wirtschaftlichen Ergebnis sichert. Was wir gar nicht brauchen, sind Medienstrategen, die uns ein X für ein U vormachen, die Bertelsmannstiftung, die uns gerade den Verlust an hunderten Milliarden Euro zur Rettung von Europa “schmackhaft” machen will oder die von Arbeitgeberorganisationen im Jahr 2000 gegründete INSM (Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft), heute unter dem Vorsitz des ehemaligen SPD-Mitglieds und “Super-Ministers” unter Schröder Wolfgang Clement, die seit Jahren für ein Zurückschneiden des Sozialstaats trommelt, lange Zeit unter tatkräftiger Mithilfe der “Talklady Nr. 1” Sabine Christiansen im Fernsehen.

Was für Deutschland schon nicht getaugt hat, kann man beim besten Willen Europa nicht wünschen. Merci Guillaume Duval, danke Franz Walter!

PS Liebe Freundinnen und Freunde von der SPD: Laßt Euch nicht ins Schrödersche Bockshorn jagen. Es gibt ein Leben jenseits von Hartz IV und anderen sozialen Grausamkeiten und das ist ein Leben mit einem Bedingungslosen Grundeinkommen. Wer mehr darüber, diesmal aus französicher Perspektive, wissen möchte, den verweise ich aktuell auf den Beitrag “Gründe für ein Grundeinkommen” von Mona Chollet in der deutschen Ausgabe von “Le Monde diplomatique” Mai 2013.

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