Autor: Thorsten Schoop
Warum das bedingungslose Grundeinkommen vielversprechend ist.
Der Schweizer Think-Tank avenir suisse hat sich in Person von Lukas Rühli zum Grundeinkommen geäußert. Zu einigen Punkten soll hier Stellung genommen werden.
Automatisierung
Der Autor sagt, der
technologische Fortschritt vernichtet keine Arbeitsplätze. Die
Geschichte hat schon zur Genüge widerlegt, dass das
Produktivitätswachstum keinerlei Einfluss auf die Arbeitslosigkeit hat.
Bisher hat der technologische Fortschritt nie zu erhöhter
Arbeitslosigkeit geführt, sondern zu mehr Wohlstand durch steigende
Reallöhne und Güternachfrage.
Festzustellen ist jedoch, dass die technologische Entwicklung exponentiell erfolgt und zu Ergebnissen führt, die es in der Vergangenheit nicht gegeben hat. Maschinen und Roboter ersetzen nicht nur die menschliche Muskelkraft sondern zunehmend auch das Denken. Humanoide Roboter haben einen Körper, der dem des menschlichen Vorbildes nachempfunden ist. Diese Roboter sind selbstlernend und entwickeln sich schnell weiter. Ein Blick in die Labore des Fraunhofer-Institut für Intelligente Analyse- und Informationssysteme, Sankt Augustin oder Institute of Robotiks, ETH Zürich oder Department of Human Science, Universität Osnabrück oder KUKA Roboter GmbH, um nur einige wenige zu nennen, belegen dieses. Alleine Google mit seiner enormen Kapitalkraft und innovativem Potenzial hat die Firmen Bosten Dynamics, Industrial Perception, Meka Redwood Robotics, Bot & Dolly und noch einige andere innerhalb der letzten neun Monate gekauft. Facebook, Apple und Amazon waren in der Firmenakquisition in diesen Branchen ebenfalls schon aktiv. Und es gibt viele weitere Entwicklungen. Das selbstfahrende Auto, wird die Fahrer in der Logistik, Kurierbereich und Taxis ersetzen. Unter dem Begriff Industrie 4.0 wird das Internet der Dinge weiter wachsen. Werkstücke bestimmen ihren eigenen Produktionsprozess. Auf die zukünftigen Möglichkeiten von 3D-Druckern oder des Werkstoffes Graphen (allein die EU investiert hier in die Forschungsinitiative „The Graphene Flagship“ über eine Milliarde Euro) soll an dieser Stelle nicht näher eingegangen werden. Die Wirtschaftswissenschaftler Erik Brynjolfsson und Andrew McAfee vom Massachusetts Institute of Technology (MIT) oder auch Carl Benedikt Frey und Michael Osborne von der Oxford University bestätigen in ihren Forschungsergebnissen, dass der technische Fortschritt unter dem Strich viele Erwerbsarbeitsplätze kosten werden.
Das diese Entwicklungen mit dem Hinweis auf die Geschichte aus Sicht der avenir Suisse „keinerlei Einfluss auf die strukturelle Arbeitslosigkeit“
haben wird, ist nur damit zu erklären, dass sie sich damit nicht
beschäftigt haben. In dem avenir Standpunkte 5 Papier ist hierzu nichts
beschrieben.
Lohnquote
Die Lohnquote hilft in
der Diskussion um das bedingungslose Grundeinkommen nicht wesentlich
weiter. Dafür sind diese Daten zu wenig aussagekräftig. Eine steigende
Lohnquote könnte auch darauf zurückzuführen sein, dass eine Verschiebung
zu den Empfängern mit höherem Lohn stattgefunden hat. Gerade ein hohes
Bildungs- und Qualifizierungsniveau (wie z.B. in der Schweiz) ist ein
Beleg dafür. Eine hohe Lohnquote kann auch von wenigen Lohnempfängern
mit äußerst hohem Lohn (Investmentbanker, Vorständler u.a.) erreicht
werden. Es gibt viele Quellen, die diese Entwicklung belegen, als
Beispiel sei hier nur auf den OECD Report Wirtschaft, Umwelt,
Gesellschaft verwiesen.
Eigenverantwortung
Der Autor meint mit
Eigenverantwortung, die Fähigkeit zu haben, seinen Lebensunterhalt
selbst zu erwirtschaften. Unser derzeitiges Prinzip in der
Erwerbstätigkeit ist es, eine Leistung zu erbringen und dafür eine
Gegenleistung (Lohn) zu erhalten. Dabei spielt für den Erwerbstätigen
eine große Rolle, herauszufinden, wo es diese Gegenleistung gibt und in
wie fern seine Leistung hierzu passt. Dieses ist ein Teil seiner
Eigenverantwortung, er muss also dafür sorgen, dass seine Leistung auf
eine Gegenleistung trifft. Falls das nicht möglich ist, muss er seine
Qualifikation entsprechend verändern. Die persönlichen Talente und
Interessen spielen dabei eine untergeordnete Rolle. Falls er Lehrer ist,
jedoch keine gesucht werden, muss er eben Buchhalter werden. Die
menschliche Arbeitskraft muss sich den Anforderungen des Arbeitsmarktes
anpassen. Auf diese Weise entstehen hohe Krankenstände, unmotivierte
Arbeitnehmer und fehlerhafte Arbeitsergebnisse. Der volkswirtschaftliche
Schaden geht in die Milliarden.
Sollte es zukünftig ein
bedingungsloses Einkommen geben, werden insbesondere in den unteren
Lohngruppen, viele Arbeitnehmer nicht mehr arbeiten wollen – zu den
bisherigen Bedingungen. Der Unternehmer müsste in diesem Fall den Lohn
erhöhen oder rationalisieren. Hierbei hilft ihm der technische
Fortschritt. Es gibt aber auch Kassiererinnen oder Reinigungskräfte, die
diesen Job gerne machen und glücklich sind. Diese Arbeitnehmer werden
auch dann arbeiten wenn es ein Grundeinkommen gibt. Der Arbeitgeber hat
dann die Gewissheit, dass er einen Arbeitnehmer hat, der motiviert ist
und seinen Job nicht nur wegen des Geldes macht. Sollte es dennoch eines
Tages notwendig sein auch diesen Arbeitsplatz zu automatisieren, wird
der ehemalige Arbeitnehmer nicht in Existenzängste gestürzt.
Grundeinkommen Finanzierung
Die Finanzierung des BGE ist über die Konsumsteuer (Mehrwertsteuer) möglich ohne dass sich die Endverbraucherpreise ändern. Somit sind keinerlei Nachteile für sozialschwache Gruppen zu befürchten. Auch eine erhöhte Schwarzarbeit wird es aufgrund des hohen Unterschiedes zwischen Netto- und Bruttopreisen nicht geben. Vielmehr wird das Grundeinkommen die Flexibilität und die Innovationskraft der Unternehmen steigern. Inländische Unternehmen erhalten durch das konsumsteuerfinanzierte Grundeinkommen sogar einen deutlichen Wettbewerbsvorteil. In dem Artikel Technischer Fortschritt führt zu bedingungslosen Ggrundeinkommen – finanziert durch Mehrwertsteuer ist Näheres beschrieben. In diesem Zusammenhang ist auch das Video Grundeinkommen – ein Kulturimpuls zu erwähnenswert.
Mit der Finanzierung hat sich der Autor nicht ausführlich auseinander gesetzt. Ansonsten sind Aussagen wie „Ob ihm (das Individuum)
nun die Steuer vom Einkommen abgezogen oder beim Kauf eine Gutes auf
den Preis aufgeschlagen wird, spielt in dieser Abwägung keine Rolle“, nicht erklärbar. Die Vergleiche zur negativen Einkommenssteuer von Milton Friedmann helfen nicht weiter.
Anreize
Bedenklich ist das Menschenbild des avenir suisse Autors. Es geht davon aus, dass ein heranwachsender Mensch nur unter dem „Druck, Geld zu verdienen“,
motiviert ist. Der Autor meint sogar, wer dieses bezweifelt ist „naiv“.
Sollte ein derartiger Druck fehlen, werden sich die heranwachsenden
langfristig selber entmündigen. Diese Aussage ist selbstentlarvend und
bedarf im Grunde keiner weiteren Äußerung. Da dieses jedoch ein
Kernthema der Diskussion ist, soll dennoch etwas näher darauf
eingegangen werden.
In der
Persönlichkeitspsychologie werden fünf Hauptelemente beschrieben, die
die Persönlichkeit eines Menschen ausmachen. Der Neurotizismus
(Neurosen), die Intro- und Extroversion, die Offenheit für Erfahrungen
(Neugier), die Verträglichkeit (Umgang mit anderen Menschen) und die
Gewissenhaftigkeit. Diese Merkmale sind mehr oder weniger in die eine
oder andere Richtung zu ca. 50 % angeboren. Die anderen 50% werden durch
Umweltfaktoren bestimmt, also Erziehung, Bildung u.a.
Entsprechend dieser
Persönlichkeitsmerkmale sollte jeder Mensch die Möglichkeit haben seine
individuellen Talente, Hobbies und Interessen zu entdecken und weiter zu
entwickeln. Diese Entwicklung muss auf den einzelnen Menschen
ausgerichtet sein und keinesfalls auf äußerliche Faktoren (du musst
Anwalt werden, Opa und ich waren es auch). Es liegt auf der Hand, dass
die Ausübung oder das vorhanden sein von äußerlichem Druck (auch
späterer monetärer Druck), diese Entwicklung nicht fördert sondern eher
hemmt.
Unsere Gesellschaft und
das Bildungssystem sollten diesen langjährigen Entwicklungsprozess
unterstützen. Dann entwickeln sich die Menschen zu einzigartigen
Individuen, die mit Hingabe und Lust freiwillig einen wertvollen Beitrag
für die Gesellschaft erbringen – ohne monetären Zwang. Und wer wirklich
gut ist, der bekommt für seine Fähigkeiten und Leistungen auch mehr
Geld.
Fazit
Sollte die Schweiz das
erste Land sein, das ein konsumsteuerfinanziertes bedingungsloses
Grundeinkommen einführt, wird es die inländischen Unternehmen stärken,
einen volkswirtschaftlichen Aufschwung erhalten und sich
gesellschaftlich weiterentwickeln. Habgier und Egoismus verlieren
zugunsten von Toleranz und Ausgeglichenheit. Da es, wie avenir suisse
richtig sagt, ein neuer Gesellschaftsentwurf ist, braucht es etwas Mut,
um diesen auch tatsächlich umzusetzen. Andere Länder werden sich daran
orientieren.