Autorin: Katja Ansen

Wären Sie eine Katze, bräuchten Sie sich um Ihre Grundversorgung keine Gedanken zu machen. „…die Katze ist das einzige vierbeinige Tier, das dem Menschen eingeredet hat, er müsse es erhalten, es brauche aber dafür nichts zu tun“, scherzte schon Tucholsky. Als Teil einer Gemeinschaft würde für sie gesorgt werden. Das gehört sich schließlich so. Bei Menschen ist das so eine Sache. Sie können sehr böse Dinge tun, sogar straffällig werden. Vater Staat wird bedingungslos für Sie sorgen. Sind Sie aber erwerbslos, ist es mit der Bedingungslosigkeit vorbei. Der Staat stellt Forderungen, die Sie besser erfüllen, wollen Sie nicht ihre Existenz gefährden.

Berufsbiografien sind immer häufiger von Brüchen und Lücken gekennzeichnet. Da nicht ausreichend gut bezahlte, qualifizierte Beschäftigungen vorhanden sind, ist das wenig erstaunlich. Obwohl es immer mehr Erwerbslose und von Armut betroffene Menschen gibt, gelten sie als nicht normal. Diese Pathologisierung und Ausgrenzung hat Konsequenzen. Langzeitarbeitslosigkeit macht nicht zuletzt deswegen krank, weil das Stigma des Versagens erdrückend ist.

Dennoch herrscht die Überzeugung vor: Wer von Transferleistungen abhängig ist, soll es möglichst schwer haben. Dieser Strafreflex entzieht viel Energie, die anderswo konstruktiv eingebracht werden könnte. Es gibt keinen vernünftigen Grund, so viele Menschen an der gängigen Sozialbürokratie verzweifeln zu lassen. Angst und Druck lähmen, wenn sie überhand nehmen. Perspektiven und gangbare Lösungen spornen hingegen an. Wer einen Platz in der Gesellschaft eingeräumt bekommt, wird ihn auch auszufüllen wissen.

Eine bedingungslose Teilhabe aller Bürger abzulehnen bedeutet, den freien Bürgern nicht über den Weg zu trauen. Wer Kontrolle und Sanktionen befürwortet, fürchtet die Freiheit. Die Teilhabe aller Bürger ist nicht das Ende, sondern der Anfang einer neu ausgerichteten Arbeitsgesellschaft. Eben diese Neuausrichtung ist dringend notwendig, führt man sich die bevorstehende demografische Entwicklung vor Augen. Der Pool an arbeitsfähigen Menschen wird in Deutschland in absehbarer Zeit rasant schrumpfen.

Daher können wir es uns gar nicht leisten, Talente und Fähigkeiten von Millionen von Menschen brachliegen zu lassen. Wir müssen möglichst alle Bürger in unsere Gesellschaft einbinden. Nicht zuletzt, um ihre Arbeitsfähigkeit zu erhalten. Dazu müssen Reichtum und Arbeitsplätze auf möglichst viele Schultern verteilt werden. Nur wer in eine Gesellschaft integriert ist, kann sie auch bereichern. „Es muss gar nicht Nächstenliebe sein, es reicht auch schon pure Vernunft, um sich eine gerechte Verteilung der Ressourcen in einem Land und auf dem ganzen Planeten zu wünschen.“ (Eckart von Hirschhausen, Aus: Glück kommt selten allein)