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Taugt Steuerpolitik als Sozialpolitik?

Benzinpreise auf Rekordhöhe befeuern politische Debatten. FDP-Chef Rösler und die „Bild-Zeitung“ haben sich damit hervorgetan, eine Erhöhung der Pendlerpauschale zu fordern. Die Kritik an diesem Vorstoß beißt sich bemerkenswerterweise nicht nur am Für und Wider einer Erhöhung fest. Die Süddeutsche Zeitung (SZ) zum Beispiel nutzt die Gelegenheit, die Pauschale grundsätzlich in Frage zu stellen. Sie löse die Probleme nicht, fördere Energieverschwendung und sei unfair gegenüber denjenigen, die in die Nähe ihres Arbeitsplatzes ziehen, heißt es in einem Kommentar auf der Meinungsseite der Print-Ausgabe vom 10. April.

Die negative ökologische Wirkung der Pauschale liegt auf der Hand. Die soziale Komponente stellt sich bei genauerer Betrachtung auch nicht viel vorteilhafter dar. Die SZ hat den Steuerprofessor Frank Hechtner verschiedene Beispiele berechnen lassen. Das Ergebnis: Von einer höheren Pauschale würden „vor allem gut verdienende Alleinstehende“ profitieren. „Wer ein geringes Einkommen hat oder eine Familie ernähren muss, geht unter Umständen sogar leer aus.“ Wie die Zeitung herausstellt, liegt dies in der Logik des progressiven Einkommensteuertarifs. Für höhere Einkommen fallen höhere Steuertarife an; die steuerliche Absetzbarkeit der gleichen Kosten spart somit „Besserverdienern“ mehr Steuern als Niedriglöhnern: „Wer 2500 Euro im Monat verdient und 40 Kilometer von seiner Arbeit entfernt wohnt, würde bei einer höheren Pendlerpauschale eine jährliche Steuererleichterung von 284 Euro erhalten. Verdient er 6000 Euro, müsste er 425 Euro weniger an den Fiskus zahlen, obwohl die Ausgaben für den Liter Benzin oder Diesel gleich hoch wären.“

Als Mittel des sozialen Ausgleichs ist die Pendlerpauschale somit denkbar ungeeignet. Dies gilt natürlich genauso für die steuerliche Absetzbarkeit aller möglichen anderen Kosten: Im Einzelnen nutzen diese Vergünstigungen denjenigen am meisten, die am wenigsten darauf angewiesen sind; in ihrer Gesamtheit führen sie unser Steuersystem ad absurdum, weil der in der Theorie solidarische Grundsatz der Besteuerung nach Leistungsfähigkeit in der Praxis ausgehebelt wird.

Wenn es um einen Ausgleich für soziale Zumutungen geht, sollten wir uns etwas anderes einfallen lassen als höhere Pendlerpauschalen und immer neue steuerliche Absetzungsmöglichkeiten. Was kann es an sinnvollen Alternativen geben?

Ein Wunderrezept, das alle als ungerecht empfundenen Bevor- und Benachteiligungen ausgleicht, wird es nie geben, das sollten wir uns als erstes klar machen. Die Benzinpreise werden angesichts knapper werdender Rohstoffe noch weiter steigen. „Wenn der Ölpreis steigt, kostet dies in Deutschland Wohlstand“, konstatiert Markus Sievers in einem Artikel im Wirtschaftsteil der Frankfurter Rundschau vom 11. April. Die Menschen müssten sich auf die steigenden Preise einstellen, und kein Staat könne ihnen diese Anpassungsleistung abnehmen. Bei „den ganz Armen, den Hartz IV-Empfängern“ sei jedoch ein Ausgleich über höhere Sätze erforderlich.

Darin steckt ein richtiger Gedanke: Dass ein ökonomischer Umbruch – und nichts anderes ist der Abschied vom billigen Öl – Verlierer hervorruft, ist unvermeidbar, aber die Gesellschaft soll dafür sorgen, dass nicht ausgerechnet diejenigen, die heute schon am schlechtesten dastehen, durch die Veränderungen noch schlechter gestellt werden.

Wenn die Steuerpolitik nicht geeignet ist, um diese soziale Abfederung zu bewerkstelligen, bleibt die Möglichkeit von direkten Zahlungen – wie die von Sievers vorgeschlagene Erhöhung der Hartz-IV-Leistungen. Dieser Vorschlag greift aber zu kurz. „Geringverdiener“ ohne Hartz IV würden von der Erhöhung nicht profitieren, doch gerade sie sind teilweise existenziell auf das Auto angewiesen und sind die größten Leidtragenden der Benzinpreissteigerungen.

Ein bedingungsloses Grundeinkommen wäre auch kein Wunderrezept, das alle Ungerechtigkeiten beseitigt, aber immerhin würde es das Einkommen von „Geringverdienern“ aufstocken und könnte den Kaufkraftverlust durch die steigenden Energiepreise zumindest teilweise ausgleichen. Das wäre ein direkter Effekt. Außerdem würde ein Grundeinkommen die Abhängigkeit von teuren Fahrten zur Arbeit verringern. Was dieser abstrakte Satz für die Praxis heißt? Da gibt es sicher nicht nur eine Antwort. Lassen wir uns gedanklich auf die Idee des bedingungslosen Grundeinkommens ein – nur so werden wir es herausfinden.

Bad in der Menge
Grundeinkommen und soziales Kapital

Autor: Björn Röder

Das Konzept des Sozialkapitals erlaubt der sozialwissenschaftlichen Forschung einen Ansatz, kollektive Handlungs- und Problemlösungsfähigkeiten von Gesellschaften in einer zivilgesellschaftlichen Perspektive zu untersuchen. Besonders interessant ist in diesem Zusammenhang die aufgestellte These, ein hohes Niveau des in einer Gesellschaft vorhandenen Sozialkapitals – grob verstanden als das Zusammenwirken von sozialen Netzwerken, interpersonellem Vertrauen und kollektiven (reziproken) Normen und Werte – wirke sich positiv in Bezug auf Qualität und Leistungsfähigkeit ihrer demokratischen Institutionen aus.

In Hinblick auf die möglichen positiven Wirkungen eines hohen gesellschaftlichen Sozialkapitalbestandes auf die Qualität der institutionellen Handlungs- und Problemlösungsfähigkeiten sollte ein demokratisches Gemeinwesen also Interesse daran finden, möglichst integrativ zu wirken. Ihren Beitrag dazu liefert unumstritten die bedarfsabhängige, sozialstaatliche Transferpolitik, indem sie Menschen vor allem finanziell dazu befähigt, an zumindest einem Minimum des sozialen Lebens teilzuhaben (Anm. des Verfass.: Der ursprüngliche Beitrag wurde vor der Einführung der sogenannten »Hartz IV«-Regelungen verfasst). Im Sinne des Sozialkapitalkonzepts ist ihr jedoch eine Problematik anbehaftet, die zum Teil zurückzuführen ist auf potenzielle Exklusionsmechanismen kollektiver Netzwerkstrukturen.

In einer kurzen Hausarbeit im Herbst 2005 – noch im Rahmen meines Grundstudiums – habe ich daher einmal versucht zu diskutieren, ob und inwiefern eine alternative Form der staatlichen Sozialpolitik eine größere gesellschaftsintegrative Wirkung entfalten könnte. Ein grundsätzlicher Paradigmenwechsel in der staatlichen Transferpolitik, namentlich die Einführung eines universellen und bedingungslosen Grundeinkommens, könnte sich hierbei als »brückenbildendes« Moment herausstellen und einen vielversprechenden Ansatz bieten.

Die damaligen Überlegungen hierzu möchte ich nun – in leicht geänderter Form – als Impuls für unser Hamburger Netzwerk Grundeinkommen zur Diskussion stellen. Den vollständigen Text findet Ihr hier…

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