„Wer nicht arbeitet, soll auch nicht essen“?
Zum 2. Brief des Paulus an die Thessalonicher

So schallt es oft Befürwortern eines Bedingungslosen Grundeinkommens entgegen. So steht es doch auch in der Bibel. Selbst unser Ex-SPD-Bundesarbeitsminister, Vizekanzler, Parteivorsitzender und bekennender Katholik Franz Müntefering war sich nie zu schade, auf diese Bibelstelle hinzuweisen. Nur, was hat es mit diesem Bibelzitat wirklich auf sich? Und muss man nicht möglicherweise den Gesamtzusammenhang, in den dieses Zitat gestellt ist, berücksichtigen?

Wir finden das Zitat im Neuen Testament im 2. Brief an die Thessalonicher. In einer neu übertragenen und erläuterten Ausgabe von Hans Bruns heißt es im Abschnitt 3, 10: „Wir haben es Euch schon damals gesagt, als wir bei Euch waren: „Wer nicht arbeitet, soll auch nicht essen“. In den Anmerkungen dazu heißt es dann: „Paulus kennt die Gefahr, der manche verfallen: Sie meinen, sie hätten, zumal wenn die Wiederkunft des Herrn auf sich warten lässt, einen Freibrief zur Faulheit.”

Ich habe dazu Prof. Dr. Gerhard Sellin, Neutestamentler an der Universität Hamburg, befragt. Prof. Sellin vertritt die Auffassung, Paulus würde die Thessalonicher ermahnen, in der Erwartung des Herrn und der Wiederkunft des Himmelreichs auf Erden nicht die Hände in den Schoß zu legen. Diese und nur diese besondere Situation sei hier offensichtlich gemeint. Prof. Sellin wies im Übrigen darauf hin, dass bei der unkritischen Verwendung dieser Bibelstelle bedacht werden sollte, dass der 2. Thessalonicherbrief hinsichtlich seiner Echtheit umstritten sei.

Ergo: Dieses Bibelwort steht der Einführung eines Bedingungslosen Grundeinkommens mit Sicherheit nicht entgegen.