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Schlechte Arbeit
Grundeinkommen – Utopie? Ja, aber konkrete Realutopie!

Offener Brief an den Bundesvorstand von VERDI

Sehr geehrte Damen und Herren,

Ihrem Pamphlet in WIRTSCHAFTSPOLITIK aktuell 1, 2018 (Faltblatt: „Grundeinkommen – Utopie“) ist entschieden zu widersprechen. Ich gehe dabei im Folgenden auf alle in dem Text angeführten Argumente kurz ein. :

Wer den kompletten Text des Pamphlets inkl. beigefügter Karikatur ansehen möchte, klicke auf den folgenden Link: http://bit.ly/2GhB2pk

Als Verfasser (oder Auftraggeber?) des Pamphlets unter-streichen Sie vom VERDI-Vorstand ihren Anspruch auf wirtschaftspolitische Kompetenz (siehe Label „WIRTSCHAFTS-POLITIK aktuell“, unter dem Sie publizieren). Aber sind Sie wirklich selber von Ihrer Botschaft überzeugt? Oder betreiben Sie lediglich auf dem Rücken Ihrer Leser ein demagogisches Spiel, indem sie wider besseres Wissen das Grundeinkommen als eine Nullsummen-Rechnung darstellen, bei der den Menschen Geld in die eine Tasche hinein- und aus der andern wieder herausgezogen wird !  Ökonomisch kompetente Menschen sollten jedenfalls eigentlich wissen, dass eine regelmäßige monatliche Zuwendung an alle Bürgerinnen und Bürger eines Landes, die Existenz und gesellschaftliche Teilhabe sichert, Kaufkraft und finanzielle Spielräume schafft. Sie wäre insofern ökonomisch etwas grundlegend Anderes, als eine am Existenzminimum orientierte und an Bedürftigkeitsprüfungen geknüpfte Sozialhilfe im Sinne von Hartz IV, einem System, das Sie ja selber kriti-sieren. Tatsächlich würde, im Gegensatz zu Hartz IV – und zwar auch zu einem sanktionsfreien Hartz IV -, nur ein BGE die Chance für wachsendes Vertrauen der Menschen in die Zukunft garantieren. Nur ein BGE böte diesen entscheidenden, keineswegs nur psychologischen, sondern auch ökonomischen Vorteil der Zukunftsorientierung und -fähigkeit. Entgegen Ihrer Annahme würde ein Grundeinkommen auch keineswegs zu einem Verzicht auf Erwerbsarbeit verleiten. Alles deutet vielmehr darauf hin, dass die Menschen ein BGE nutzen würden, um ihre künftigen Tätigkeiten verantwortlich und selbstbestimmt zu gestalten. Die Folge wären: Größere Jobzufriedenheit, mehr Start-Up-Unternehmen,  Bildungsinvestitionen und Einsparungen im Pflegebereich, aber auch Stressabbau, weniger Depres-sionen und Burn-Outs. Ein Grundeinkommen wäre also keines-wegs ein Null-Summenspiel auf Kosten der Mehrzahl der Beschäftigten, sondern im Gegenteil, eine Zukunftsinvestition zu ihrem Vorteil !

Nun, Punkt für Punkt, zum Text Ihres Pamphlets und den einzelnen Argumenten darin: 

Ihre Behauptung: 

(1)  Eine Alternative zur Erwerbsarbeit könnte es nur für Einzelne sein auf Kosten anderer. Denn alle käuflichen Güter und Dienstleistungen werden durch Erwerbsarbeit produziert. 

Gegenargument: 

(1)  Dieses Argument geht zunächst einmal von der völlig falschen Voraussetzung aus, dass ein Grundeinkommen überhaupt als „Alternative zur Erwerbsarbeit“ zu verstehen sei. Wir haben ja gerade einleitend dargelegt, dass ein Grundeinkommen im Gegenteil erst dafür sorgt, dass Menschen sich eine ihnen gemäße Erwerbsarbeit suchen können, die sie dann auch in dem für sie angemessenen Umfang wahrnehmen würden.

Der Umstand, dass alle käuflichen Güter und Dienstleistungen durch Erwerbsarbeit produziert werden, ist für sich genommen eine Binsenweisheit, die freilich von einem Grundeinkommen in keiner Weise tangiert wird, somit auch keine Erklärung für Ihre These liefert, ein BGE sei eine Alternative nur für einzelne auf Kosten anderer. Diese irrige Behauptung muss deshalb korrekt folgendermaßen umformuliert werden: Das BGE ist eine Alternative für sehr viele Einzelne, auf Kosten nur weniger Anderer, die ohnehin mehr als genug haben.

Ihre Behauptung: 

(2) Denn selbst bei höheren Steuern der Reichen und Unternehmen müssten überwiegend die Beschäftigten das Geld für ein BGE aufbringen. Die durchschnittliche Abgabenbelastung der Einkommen müsste mehr als verdoppelt werden – ab dem ersten Euro. Es wären flächendeckend enorm verschärfte Kontrollen nötig.

Gegenargument: (2). Die Behauptung, überwiegend die Beschäftigten müssten das Geld für ein BGE aufbringen, ist schlicht falsch. Richtig ist: Für die angemessene Finanzierung eines BGE müssten via Steuersystem auch Erwerbstätige  a b   e i n e m   b e s t i m m t e n   E i n k o m m e n s n i v e a u  mit herangezogen werden. Das exakte Niveau hinge dabei sowohl von der Höhe des BGE, als auch von dem gewählten Finanzie-rungsmix aus unterschiedlichen Steuerarten ab. Diese offene Frage verlangt ggf. eine politische Entscheidung, die im Rahmen demokratischer Entscheidungsprozesse zu treffen sein wird. Aufgrund künftig zu erwartender erheblicher Produktivitäts-gewinne kann aber keine Rede davon sein, dass es sich dabei um eine unzumutbare Umverteilung handelt, zumal ja auch Nettozahler im Rahmen der Finanzierung eines BGE im Gegen-zug ihr Grundeinkommen bekämen. Für Ihre Behauptungen, die durchschnittliche Abgabenbelastung müsse mehr als verdop-pelt und die Kontrollen müssten enorm verschärft wer-den, bleiben Sie leider jeden Beleg schuldig. Es wird nicht einmal auf ein relevantes Finanzierungsmodell Bezug genom-men, anhand dessen solche Behauptungen überhaupt erst überprüft werden könnten. 

Ihre Behauptung: 

(3) Ein BGE würde als allgemeine Lohnsubvention massiven Druck auf die Arbeitseinkommen ausüben. 

Gegenargument: 

(3) Diese schon lange und – trotz längst erfolgter Entkräftung – immer wieder von Gewerkschaftsseite vorgetragene Behauptung ist entschieden zurückzuweisen. Sie steht ja im Widerspruch zu der sehr viel besser begründeten, quasi umgekehrten Erwartung, dass die Erwerbstätigen das Grundeinkommen nutzen werden, um zu niedrige Lohnangebote abzulehnen. Wie bitte sollen die Arbeitgeber denn noch einseitig Löhne und Gehälter kürzen, wenn die Arbeitnehmer nicht mehr mitspielen? Tatsächlich könnten sie, dank Grundeinkommen, erstmals auf Augenhöhe mit den Arbeitgebern über einen angemessenen Lohn verhan-deln, eine Perspektive, über die Sie sich als Gewerkschaft eigentlich freuen sollten, wenn Sie denn den originären gewerk-schaftlichen Anspruch ernst nehmen, dass es im Wesentlichen um eine effektive Interessenvertretung der Erwerbstätigen geht. Oder sollten Sie etwa schlicht die Sorge haben, dass Ihnen als Funktionäre in gewohnter Rolle die Felle davonschwimmen?! Dass Menschen mit einem Grundeinkommen ihre Arbeitszeit ggf. von sich aus reduzieren werden, stellt ja Erwerbsarbeit nicht an sich in Frage, kommt vielmehr dem Umstand entgegen, dass aufgrund der technologischen Entwicklung ohnehin Erwerbs-arbeitsplätze massiv verloren gehen werden. Zwei parallele Entwicklungen (Jobverluste und Arbeitszeitverkürzungen) würden  sich so durchaus konstruktiv ergänzen können. 

Ihre Behauptung als Schlussfolgerung: 

(4) Die BGE-Idee ist unrealistisch, birgt große Risiken und lenkt ab von den Kämpfen, die sich wirklich lohnen 

Angesichts der dargelegten Argumente kann die Schlussfolgerung jedoch nur lauten:

Das BGE ist eine ebenso realistische wie konkrete Utopie, geeignet, die Menschen vom Risiko prekärer Jobs zu befreien und ihre ganze Lebensenergie auf sich wirklich lohnende Ziele und Aufgaben zu lenken. 

 Anmerkung: Das Mitglied des VERDI-Bundesvorstands, Ralf Krämer, hat darauf hingewiesen, dass es unter folgendem Link umfänglichere und differenziertere Aussagen von VERDI zur Thematik des BGE gebe: https://wipo.verdi.de/publikationen/++co++ab29a9ba-db39-11e7-ade4-525400940f89 
Uns vom Hamburger Netzwerk Grundeinkommen haben diese Aussagen nicht überzeugt. Sie ändern unsere Stellungnahme nicht. 

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Macht DIE WELT Werbung für ein Grundeinkommen?

So prominent hat bisher noch keine Tageszeitung das Thema Grundeinkommen herausgestellt. „1000 Euro“ in übergroßen Lettern auf Seite 1 und mit Ausrufezeichen wird sich einprägen und mit Sicherheit noch mehr Menschen fragen lassen: Warum denn nicht? Da spielt es fast keine Rolle, dass der Autor letztendlich die Einführung eines Grundeinkommens ablehnt. Aber „der gekaufte Bürger“? Eine unsinnigere These zur Ablehnung des Grundeinkommens wurde bisher kaum gewagt. Sie wird allenfalls von Kardinal Marx getoppt, dem Obersten aller Katholiken in Deutschland, der mit einem Grundeinkommen bereits die Gefährdung der Demokratie heraufdämmern sieht. Oder doch nur die Gefährdung der sicheren Kirchensteuereinnahmen?

Zugegeben, der Titel des Films „Free Lunch Society“ ist etwas unglücklich gewählt und rückt die Idee vom Grundeinkommen unzulässiger Weise in die Nähe des Traums vom Schlaraffenland. Und das Grundeinkommen ist natürlich nicht die „One-Size-Fits-It-All-Lösung“ für die drängenden Herausforderungen unserer Zeit, wie der Autor unterstellt. Selbstverständlich ist das Grundeinkommen auch nicht so ohne Weiteres finanzierbar. Selbst wenn die Höhe des deutschen Sozialbudgets in Höhe von jährlich ca. 1.000 Milliarden Euro anzeigt, dass erhebliche Mittel zur Finanzierung des Sozialstaats bereitstehen, wird die Einführung eines Grundeinkommens Hand in Hand mit einer weitgehenden Steuerreform gehen müssen. Dabei dürfte über den Daumen gepeilt, das untere Drittel der Einkommenspyramide unter dem Strich gewinnen, es für das mittlere Drittel finanziell gesehen vermutlich zu einem Nullsummenspiel kommt und das obere Drittel belastet wird, wenn es bei der Einkommensverteilung ein wenig gerechter zugehen soll. Um es ganz deutlich zu sagen: Es geht beim Grundeinkommen auch um Verteilungsfragen und die „nerven“ bekanntlich in diesem Land.

Ja, der Arbeitgeberverband und die Heinrich-Böll-Stiftung der Grünen haben ablehnende Studien zur Finanzierbarkeit eines Grundeinkommens vorgelegt. Bereits im Jahr 2010 hat allerdings auch die Konrad-Adenauer-Stiftung der CDU unter der Überschrift „Solidarisches Bürgergeld – Den Menschen trauen“ sich mit dem Grundeinkommen befasst und ein in sich schlüssiges Konzept dazu in Buchform vorgelegt, auch zur Finanzierung. Ein durchaus diskutabler Beitrag. Es ist auch völlig gleichgültig, unter welchem Namen ein Grundeinkommen einmal eingeführt wird. Entscheidend ist nicht, was draufsteht, sondern was drin ist. Es macht im Übrigen wenig Sinn, Menschen, die sich für ein Grundeinkommen einsetzen, als spinnerte Aktivisten – „irgendwie links, umweltbewusst oder konsumkritisch“ – abzumeiern. Übrigens standen die USA bereits vor bald einem halben Jahrhundert unter den Präsidenten Johnson und Nixon ganz kurz vor der Einführung eines Grundeinkommens, was am Ende im Senat nur an einer gezielten Falschmeldung über zu erwartende höhere Scheidungsraten gescheitert ist.

Den Befürwortern eines Grundeinkommens „geht es um die Verwaltung eines in Zement gegossenen Status quo“? Hängen nicht vielmehr die Gegner eines Grundeinkommens in einer Endlosschleife fest, wenn sie fordern „Bismarck muss bleiben“? Bismarck als Synonym für das überkommene System der sozialen Sicherung, das in allen Fugen kracht und das eine gewaltige Bürokratie nährt. Sie stellt am laufenden Band Empfänger von Grundsicherung und Hartz-IV-Empfänger immer wieder unter den Verdacht des Sozialbetrugs. Sie trägt dazu in hohem Maße zur verschämten Armut bei, da die „sozial Schwachen“, wie sie gern einmal abwertend diskreditiert werden, sich in der hochkomplexen Antragswelt der vielen Gesetze mit hunderten Paragrafen nicht auskennen. Was ist im Übrigen schlecht daran, frei von Leistungsdruck „an seiner kreativen Selbstverwirklichung zu werkeln“? Ist Selbstverwirklichung nicht ein ganz hohes Ziel unserer Menschenbildung? Nur selbstbewusste, gut gebildete Menschen können kreativ sein. Wir brauchen sie heutzutage mehr denn je. Ein Grundeinkommen könnte mit großer Sicherheit dazu beitragen, da es noch mehr Menschen ermöglichen würde, finanziell abgesichert sich für die eigene Weiterbildung zu entscheiden. Es ist darüber hinaus unzulässig, den Arbeitsbegriff nur auf die entgeltliche Arbeit zu beziehen. Was ist denn mit der ganzen Reproduktionsarbeit und der Pflegearbeit, die in unserer Gesellschaft im Wesentlichen von Frauen geleistet wird und kein selbständiges Einkommen und keine auskömmliche Altersversorgung mit sich bringt?

Ob „1000 Euro im Monat nicht viel Geld sind“ und „nur eine höhere Form der Armut“ bedeutet, liegt im Auge des Betrachters. Bei in 2014 ausgezahlten Durchschnittsrenten von 1.061 (993 in den NBL) Euro für Männer, bzw. 770 (532 in den NBL) Euro für Frauen müssen sehr viele ältere Menschen in Deutschland mit weit weniger als 1.000 Euro im Monat auskommen. Trotz beständig gestiegener Produktivität sind die Reallöhne seit Anfang der 1980er Jahre gesunken. Seit 1980 befindet sich auch die Lohnquote, der Anteil der Arbeitnehmerentgelte am Volkseinkommen, im Sinkflug. Das ist gesamtwirtschaftlich eine außerordentlich bedenkliche Entwicklung. Es wird schlicht zu wenig konsumiert, wenn sich die Einkommen bei den besser verdienenden Selbständigen und Einkommensbeziehern aus Kapitalvermögen konzentrieren, die bedeutende Einkommensbestandteile „auf die hohe Kante“ legen und nicht konsumieren. Es soll an dieser Stelle keineswegs einem schrankenlosen Konsum das Wort geredet werden. Bei der Verwendungsrechnung des BIP machen die privaten Konsumausgaben etwa die Hälfte aus. Auf die Dienstleistungen entfallen davon ca. 35 %, die unter ökologischen Aspekten unbedenklich ausgeweitet werden könnten. Der Konsum im engeren Sinne, Nahrungsmittel, Bekleidung etc., schlägt mit ca. 25 % zu Buch und müsste nur wenig verändert werden. Wohnen und Verkehr mit ca. 40 % Anteil an den privaten Konsumausgaben sollten aus ökologischer Sicht allerdings deutlich zurückgefahren werden.

In der Tat, mit einem Grundeinkommen in Höhe von 1.000 Euro monatlich könnte „kein Arbeitsloser damit heute ein sorgenfreies, „freies“ Leben führen“, was auch nicht der Kern eines Grundeinkommens ist. Vielmehr dient ein Grundeinkommen der Existenzsicherung auf einem menschenwürdigen Niveau. Horst W. Opaschowski spricht von minimaler Existenzsicherung und hat seinem Buch von 2007 den Titel „MINIMEX – Das Zukunftsmodell einer sozialen Gesellschaft“ gegeben. In der Regel wird ein Grundeinkommen den allermeisten Menschen nicht reichen, sodass weiterhin entgeltlich gearbeitet wird. Im Übrigen deuten erste Untersuchungen darauf hin, dass mit einem Grundeinkommen eher mehr als weniger gearbeitet wird, da die intrinsische Motivation zu arbeiten, bei vielen Menschen mit einem Grundeinkommen offenbar steigt.

Von 41 Mill. Privathaushalten verfügten 4 Mill. in 2016 über ein Nettoeinkommen von bis zu 900 Euro im Monat und weitere 20 Mill. 901 bis in der Spitze (!) 2.600 Euro. Besonders prekär sind die Einkommensverhältnisse von Familien mit Kindern, insbesondere bei Alleinerziehenden. Eine aktuelle Studie der Ruhr-Universität in Bochum im Auftrag der Bertelsmann-Stiftung hat ergeben, dass mit Kindern das Armutsrisiko steigt, im reichen Deutschland ein Skandal für sich. Die gerade bei den Koalitionsverhandlungen auf Bundesebene ins Auge gefasste Kindergelderhöhung um 10 und später um weitere 15 Euro ist geradezu schäbig. insbesondere wenn man bedenkt, dass solche „Wohltaten“ bei Familien, die von Hartz-IV leben müssen, überhaupt nicht ankommen, da jegliches Kindergeld bei diesem Personenkreis auf die Unterstützungsleistungen angerechnet wird. Das Gleiche gilt für das Abschmelzen des „Soli“, den Hartz-IV-Empfänger und „Niedriglöhner“ überhaupt nicht zahlen. Der große amerikanische Ökonom J.K. Galbraith (1908 – 2006) führte die Weltwirtschaftskrise, den „Crash“ von 1929, unter anderem darauf zurück, dass den unteren Einkommensschichten anteilsmäßig am Volkseinkommen zu wenig für den Konsum zur Verfügung stand.

Wieso das „Konzept des Grundeinkommens neue finanzielle Abhängigkeiten vom Staat“ schafft, wird vom Autor zwar behauptet, aber nicht weiter ausgeführt. Das Gegenteil dürfte richtig sein. Der Staat wird hier zum Popanz, einer künstlich hergestellten Schreckgestalt, aufgebaut. Dabei kommt auch ein Grundeinkommen wie alle anderen einkommenswirksamen Zahlungen des Staats nicht von einem „allmächtigen Staat“, da der Staat per se gar kein Geld hat, es sei denn, wir überlassen es ihm in Form von Steuern und Abgaben. In einem demokratisch verfassten Staat entscheiden die Bürger nicht nur über die Höhe der Ausgaben, sondern auch über ihre Verwendung und das würde und muss selbstverständlich auch für ein Grundeinkommen gelten. Dass mit einem Grundeinkommen „eine neue Form von finanzieller Abhängigkeit vom Staat“ institutionalisiert würde, wird auch wieder nur behauptet, aber nicht weiter belegt. Von großem Vertrauen in demokratische Entscheidungen sind derartige Behauptungen nicht getragen. Und wieso der Bürger mit einem Grundeinkommen „vom Subjekt zum hilfsbedürftigen Objekt staatlicher Intervention“ mutiert, bleibt ebenfalls unerfindlich. Immerhin wird zugestanden, dass der „interventionistische Sozialstaat“ einer grundlegenden Reform bedarf und „dass das Grundeinkommen zu einer Reduzierung der Macht von Staatsbürokratien führen würde“.

Am 12.1.18 widmete die Frankfurter Allgemeine Zeitung dem Grundeinkommen unter der Überschrift: „Einfach mal aus dem System aussteigen?“ eine ganze Seite. Der Autor Georg Cremer war bis zu seiner Pensionierung im Juni letzten Jahres Generalsekretär des Caritasverbands. Er kommt zu dem Schluss, dass ein Grundeinkommen wohl finanzierbar wäre, wenn wir auf den Sozialstaat, wie wir ihn kennen, verzichteten. Er möchte es nicht und kommt deshalb zu einer Ablehnung des Grundeinkommens. Aber ganz wohl ist ihm bei seiner Ablehnung nicht: „Aber die Wünsche nach mehr Freiraum für Kreativität, nach sinnstiftender Arbeit und wertschätzenden Arbeitsbedingungen, nach Raum für Versuch und Irrtum sollten wir ernst nehmen. Ebenso den Wunsch freiberuflich Tätiger nach mehr Sicherheit oder den Anspruch, Grundsicherungsempfänger nicht zu beschämen“.

Warum gibt es noch kein Grundeinkommen? Die kanadische Sozialwissenschaftlerin Evelyn Forget, die das kanadische Mincome-Experiment (Minimales Einkommen) aus den 1970er Jahren noch einmal untersucht hat, hat es auf den Punkt gebracht: „Die politische Rechte fürchtet, dass die Menschen aufhören werden zu arbeiten und die Linke traut ihnen keine eigenständigen Entscheidungen zu“. Das Grundeinkommen ist ein Projekt der sozialen Sicherheit und der Freiheit zu einem selbstbestimmten Leben. „Wer heute nicht weiß, wovon er morgen leben wird, kann nicht wirklich frei sein.“ (Karl-Hermann Flach 1929 – 1973, Generalsekretär der FDP unter Walter Scheel und Wegbereiter der Sozialliberalen Koalition von 1969). Mit der gerade zwischen den Koalitionären in Berlin aushandelten „Grundrente“ möchte man bei Geringverdienern die Altersrente aufstocken und mit dem von der Bertelsmann-Stiftung ins Spiel gebrachten „Teilhabegeld“ die unteren Einkommensgruppen begünstigen. Beide Maßnahmen sind ja grundsätzlich nicht von der Hand zu weisen, nur beides wären zusätzliche Instrumente einer Sozialstaatspolitik mit hohem regulatorischen Aufwand und den allzu bekannten Abgrenzungsproblemen: Wer soll es bekommen und wer nicht. Es ist an der Zeit, über ein einfaches, übersichtliches und gerechtes Transfersystem nachzudenken. Warum nicht über ein Grundeinkommen? Es muss ja nicht sofort allen 80 Mill. Menschen in Deutschland zu Gute kommen. Man könnte es Schritt für Schritt einführen. Aus vielen einzelnen Maßnahmen der Familienpolitik könnte ein einheitliches Kindergrundeinkommen entwickelt werden, für alle Kinder ohne Rücksicht auf ihre Herkunft und ihren sozialen Status. Alle Menschen über 65 Jahre würden ein Grundeinkommen als eine Art Grundrente ohne bürokratischen Aufwand erhalten, wobei darüber hinaus erworbene Rentenansprüche selbstverständlich unangetastet bleiben. Beide Maßnahmen wären sozial gerecht, zielgenau und unbürokratisch. Der französische Schriftsteller Victor Hugo (1802 – 1885) hat einmal gesagt: „Nichts auf der Welt ist so mächtig wie eine Idee, deren Zeit gekommen ist.“

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