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Expresszug
Wie das Grundeinkommen beim Klimaschutz hilft

Das Bedingungslose Grundeinkommen (BGE) unterstützt den Klimaschutz, weil es hilft, aus der Logik von unbegrenztem Profit und  Wachstum unserer fossilen Wirtschaft auszusteigen, und dabei auf die Teilhabe aller setzt.

Solange das Bedingungslose Grundeinkommen als Möglichkeit ausgeklammert wird, bleiben die Lösungsansätze im Klimaschutz in ihrer Reichweite begrenzt. Wenn Erwerbsarbeit in seiner bisherigen Logik weiter universellen Vorrang für die Lebensgestaltung hat, werden die ökonomischen Strukturen sich fortgesetzt an unbegrenztem Profit und Wachstum orientieren. Damit werden alternative Formen des Wirtschaftens, die von vornherein klimafreundlich sind, unnötig erschwert.

Die Potenziale des BGE für den Klimaschutz werden nachfolgend kurz zusammengefasst. (auch als Flyer verfügbar)

Das BGE unterstützt den Ausstieg aus klimaschädlichen Industrien

Ein Großteil der Widerstände gegen einen schnellen Ausstieg aus fossilen und anderen klimaschädlichen Produktionsweisen begründet sich mit der angeblich vordringlichen Sicherung vieler Arbeitsplätze. Werden hingegen im Rahmen eines  Strukturwandels die betroffenen Menschen bedingungslos in ihrer Existenz abgesichert, entstehen neue Entwicklungschancen. Diese beruhen dann auf den Ideen und dem Können der Menschen, statt auf zentralen Fördermaßnahmen mit Bürokratie und Fehlinvestitionen. Menschen z.B. in Braunkohleregionen könnten so vor Ort bleiben und die lokale Wirtschaft neu beleben.

Das BGE mit Klimadividende schafft Akzeptanz für die Ver(s)teuerung klimaschädlicher Produkte

Werden klimaschädliche Produkte durch eine CO2-Steuer oder -Abgabe verteuert und somit verringert, trifft dies Einkommensschwache besonders und führt auch in der Breite zu Widerständen aufgrund steigender Preise. Werden die Einnahmen einer CO2-Steuer pro Kopf einheitlich als Klimadividende wieder ausgezahlt, entsteht ein Ausgleich. Einkommensschwache, die im Verhältnis weniger konsumieren als Wohlhabende, werden so in diesem Modell bevorteilt. Eine Klimadividende kann Teil eines umfassenden Grundeinkommens sein bzw. ein erster Schritt dahin.

Das BGE schafft Freiräume für jeden Einzelnen, klimafreundlich zu arbeiten

Die bedingungslose Existenzsicherung durch ein BGE erleichtert es Menschen, Nein! zu klimaschädlicher Erwerbsarbeit zu sagen und eine Tätigkeit zu wählen, die sinnhafter erscheint und den eigenen Neigungen und Talenten besser entspricht. Auch Sorgetätigkeiten (Care-Arbeit) für andere Menschen wie Kinderbetreuung, Bildung, Pflege, soziale Beratung und Begleitung etc. sind besser  abgesichert, ob als Erwerbsarbeit oder im Familien- und Bekanntenkreis. Auch in unentgeltlicher Form trägt diese Arbeit  zu Wohlstand und Lebensqualität entscheidend bei.

Das BGE unterstützt klimafreundliche Lebensstile mit reduziertem Konsum

Ein großer Teil unseres klimaschädlichen Konsums ist für die Existenzsicherung und Teilhabe der Menschen nicht wirklich erforderlich. Erst Leistungsdruck, Existenzangst, fehlender Sinn oder mangelnde Anerkennung fördern als Ersatzbefriedigung ein gesteigertes Konsum-Verhalten, das Stress lindern, Ablenkung bieten oder Statussymbole beschaffen soll. Mit einem BGE erhält jeder Mensch eine dauerhaft  gesicherte Existenz und Basis-Anerkennung, die offener für Veränderungen macht. Der so garantierte Freiraum lädt dazu ein, den eigenen Lebensstil mit weniger schädlichem Konsum und  Erwerbsarbeit zu gestalten und damit gesünder zu leben. Ein Teil der Versorgung kann  leichter über Eigenarbeit, lokale Initiativen und regionale Netzwerke abgedeckt werden.

Ist das BGE nicht kapitalistisch?

Das BGE ist weder kapitalistisch noch anti-kapitalistisch. Es stärkt die Selbstbestimmung aller Menschen in der Gesellschaft gegenüber ideologischen Ansprüchen, auch gegenüber kapitalistischen oder sozialstaatlichen Zwängen. Wie sich Gesellschaft und Politik auf dieser Basis entwickeln, z.B. beim Klimaschutz, wird mit dem BGE nicht vorgegeben. Aber es schafft einen Freiraum zum Handeln und entkräftet die Ausrede, man müsse zuerst Geld verdienen, bevor man das Klima retten kann.

Fördert das BGE nicht Konsum, weil dann alle mehr Geld haben?

Das BGE ist nicht mehr Geld für alle, sondern ein garantiertes Minimum. Mehr haben diejenigen, die bisher weniger als das BGE beziehen. Das fördert zunächst den Konsum dieser Menschen, der jedoch ausgeglichen wird, indem der besonders umweltschädliche Konsum bei hohen Einkommen durch stärkere Besteuerung beschnitten wird. Entscheidend für ein klimafreundliches Konsumverhalten sind jedoch Änderungen im Lebensstil, die durch ein BGE abgesichert wären.

Fehlt das für das BGE benötigte Geld nicht bei Klimaschutzprojekten?

Niemand sollte zur Finanzierung anderer Ziele weniger als das Lebens-Minimum erhalten. Zudem erhalten auch alle in Klimaschutzprojekten Tätige ein BGE und dieser Teil des Einkommens müsste nicht durch die Projektfinanzierung abgedeckt werden. Mit BGE im Rücken haben es auch Start-Up-Gründer*innen leichter, ihre Unternehmen mit Klimaschutz-Innovationen zu starten.

Zum Weiterlesen

Hier eine kleine Auswahl von weiteren Veröffentlichungen zum Zusammenhang zwischen Grundeinkommen und  Klimaschutz und Ökologie.

  • Warum Klimaaktivisten für ein bedingungsloses Grundeinkommen sein sollten, von Mathis Hampel, 2017 im  Klimawandelblog auf derstandard.at
     
  • Keine nachhaltige ökologische Transformation ohne bedingungslose soziale Sicherung aller Menschen, von Ronald Blaschke, 2016 auf degrowth.info
     
  • BGE und Degrowth: Texte und Videos einer Konferenz im Mai 2016 in Hamburg : ubi-degrowth.eu
     
  • Freiheit, Gleichheit, Gelassenheit – Mit dem Ökologischen Grundeinkommen aus der Wachstumsfalle, Buch von Ulrich Schachtschneider, 2014 
Einsam auf dem Zebrastreifen
Der Weg aus einer kranken Gesellschaft?

Autor: Harald Kother

Bereits der Psychoanalytiker, Philosoph und Sozialpsychologe Erich Fromm forderte ein bedingungsloses Grundeinkommen. Beim Festival der GESPRÄCHE ÜBER MORGEN am 15.10. in Hamburg erläuterte Klaus Widerström, Vorstandsmitglied der Internationalen Erich-Fromm-Gesellschaft, aus welchen Gründen Fromm das BGE für notwendig hielt – und was Fromm an unserem Gesellschaftssystem als krank empfand.

1955 veröffentlichte Erich Fromm sein Werk „Wege aus einer kranken Gesellschaft“. Darin konstatierte er unserem kapitalistischen Gesellschaftssystem, dass es Glück und Freiheit im wesentlichen auf den Gedanken reduziere, immer neuere und bessere Waren konsumieren zu können. Außerdem werde in unserem Wirtschaftssystem alles nach Maßstäben des Marktes bewertet. Auch der Mensch erlebe sich dadurch permanent als Ware – oder als Verkäufer seiner selbst.

Fromm bezeichnet dies als Marketing-Orientierung und erkennt darin den Hauptgrund für eine Entfremdung von sich selbst, die wiederum seelische bzw. psychische Probleme und Erkrankungen nach sich ziehe. Der Mensch ist dadurch zum Objekt blinder ökonomischer Kräfte geworden, die sein Leben regieren. Der Mensch enteignet sich dadurch selbst – und wir leben in einer Gesellschaft, die es in Kauf nimmt, kranke Menschen zu produzieren, weil wir so eine gesunde Wirtschaft haben können. Letztlich haben sich die Menschen somit eine unmenschliche Gesellschaft geschaffen.

Wie der Gesellschaftscharakter eine unmenschliche Gesellschaft formt

Um die dahinter wirkenden Mechanismen verstehen zu können, ist es notwendig, auf den Begriff des Gesellschaftscharakters einzugehen, den Fromm einführte. Demnach ergibt sich der Gesellschaftscharakter aus der Summe der für eine Gesellschaft typischen Charakterzüge. Diese Summe bestimmt das Denken, Fühlen und Handeln des Einzelnen. Nur so lässt sich erklären, dass viele Menschen etwas als „gut“ oder „normal“ empfinden, was ihnen eigentlich schadet.

Fromm fordert daher ein radikales Umdenken und eine Abkehr von der Marketing-Orientierung. Er setzt den Menschen über den Markt und die Ökonomie, spitzt die damit verbundene Gegensätzlichkeit zu und stellt die Frage: „Haben oder sein“. In dem gleichnamigen Werk, das 1976 erschien, fordert Fromm insbesondere, dass die Produktion der Erfüllung der wahren Bedürfnisse des Menschen dienen soll – und nicht den Erfordernissen der Wirtschaft. Außerdem sei das oberste Ziele des gesellschaftlichen Arrangements das menschliche Wohlsein und die Verhinderung menschlichen Leids. Beides, so analysiert Fromm, ist in unserem gegenwärtigen Gesellschaftssystem nicht gegeben.

Grundeinkommen ermöglicht Wandel des Gesellschaftscharakters

Damit sich der Gesellschaftscharakter ändern kann, also ein Umdenken bei vielen Menschen möglich wird und insbesondere die Abkehr von der Marketing-Orientierung gelingt, forderte Fromm bereits 1955 in „Wege aus einer Kranken Gesellschaft“ die Einführung eines Grundeinkommens. In „Haben oder Sein“, also 1976, wiederholte er diese Forderung. Zwar legte sich Fromm dabei nicht fest, ob es sich um eine kostenlose Grundversorgung mit materiellen Gütern oder um einen regelmäßigen Geldbetrag handeln solle. Allerdings betonte Fromm ausdrücklich, dass jeder Mensch das Recht zu leben habe und dieses Recht in keiner Hinsicht eingeschränkt werden dürfe. Zudem lässt sich Freiheit nur durch ein garantiertes Grundeinkommen als echte Unabhängigkeit umsetzen – und nicht nur als unbegrenzte Möglichkeiten beim Konsum.

Widerström stellte in diesem Zusammenhang daher klar: Ein Grundeinkommen nach Fromm’scher Idee kann somit nur als Bedingungsloses Grundeinkommen gedacht werden. Und Widerström zeigte mit seinem Vortrag: Erich Fromm war nicht nur einer der ersten großen Impulsgeber für das Bedingungslose Grundeinkommen. Fromm lieferte zudem eine ausführliche und fundierte Begründung, warum das BGE aus psychoanalytischer und sozialpsychologischer Sicht ein wichtiger Beitrag – wenn nicht ein notwendiger – zur Verwirklichung einer menschlicheren Gesellschaft ist.

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