Autor: Sascha Liebermann

Mittlerweile werden bedingungsloses Grundeinkommen (bGE) und Negative Einkommensteuer (NE) häufig in einem Atemzug genannt, so auf der Internetseite des Netzwerk Grundeinkommen Deutschland, in Vorschlägen der Grünen und auch im Solidarischen Bürgergeld.

Ein Grund, weshalb Unterschiede zwischen beiden leicht übersehen werden, rührt wohl von der bloß rechnerischen Betrachtung her. Eine Negative Einkommensteuer, wie der Begriff schon sagt, erteilt demjenigen, der keines oder kein ausreichendes Erwerbseinkommen erzielt, eine Steuergutschrift.

Ob er dieser bedarf kann erst nach Ablauf eines definierten Zeitraums – z.B. eines Monats, eines Quartals, eines Jahres – oder unter Vorbehalt im voraus festgestellt werden. Damit bleibt das Ideal aufrechterhalten, über Erwerbsarbeit ein Einkommen zu erzielen und nachzuweisen, wenn das nicht der Fall ist. Auch wenn der Weg hierfür eine einfache Steuererklärung sein könnte, so muß der Betreffende sich doch erklären. Das ist nicht nur technisch von Bedeutung, wie Egbert Scheunemann meint.

Liegt die Erklärungspflicht beim Betroffenen, wird damit zugleich ein Ideal aufrechterhalten, das besagt: erwerbsförmige Tätigkeiten sind wichtiger als nicht-erwerbsförmige. Die Steuergutschrift erfolgt ja erst, wenn ein Bedarf, also das Fehlen eines Erwerbseinkommens, festgestellt worden ist. Im Unterschied zum bGE ist die Steuergutschrift also nicht immer und ohne Erklärung verfügbar.

Die Behauptung, es bestehe kein Unterschied zum bGE rührt also daher, daß der Zusammenhang zwischen Gewährungsbedingung und Anerkennung einer Tätigkeit nicht betrachtet wird. Wer sein Augenmerk auf die verfügbare Einkommenssumme richtet, die eine Person – bei aller Einhaltung der häufig genannten, ein bGE auszeichnenden Kriterien – bei Finanzierung über eine NE zur Verfügung hat, übersieht, welche Bedeutung die Gewährungsbedingungen für die Bewertung von Tätigkeiten haben. Entscheidend ist nicht die Summe alleine, sondern, wie sie sich zusammensetzt und unter welchen Bedingungen ich sie erhalte.

Wird ein Grundeinkommen mit Erwerbseinkommen verrechnet – das wäre ja auch bei der Steuergutschrift der Fall – ist es nicht mehr bedingungslos, wird es nicht mehr dem Bürger als Bürger gewährt. Das bGE ist dann kein Einkommen, das die Bürger um ihrer selbst willen erhielten und zu jeder Zeit als verfügbar hätten, ohne sich erklären zu müssen. Im Unterschied zur NE werden im Transfergrenzenmodell von Helmut Pelzer und Ute Fischer Einkommen nicht verrechnet, auch müssen die Bezieher des bGE sich nicht erklären.

Lediglich verhält es sich so, daß ab einem bestimmten zusätzlichen Einkommen aus Erwerb der Betrag an Steuern, der von diesem Einkommen abgeführt wird, höher ist als das Grundeinkommen, das die Person erhält (Grundeinkommen minus Einkommenssteuer). So wird die Person zum Nettozahler, zahlt mehr Steuern, als sie Grundeinkommen erhält. Damit verschwindet aber das Grundeinkommen nicht, es bleibt unangetastet. Lediglich die Steuerschuld aus dem Erwerbseinkommen ist höher als das Grundeinkommen. Daß es so aussieht, als verschwände es, ist ein rechnerischer Effekt, wenn bloß die verbleibende Einkommenssumme (Grundeinkommen plus Erwerbseinkommen nach Steuern) betrachtet wird.

Für die wünschbaren und erstrebten Auswirkungen eines bGE ist seine Ausgestaltung entscheidend. Nur, wenn es als ein Einkommen gewährt wird, für das keine Rechenschaftspflicht besteht, nur also, wenn es mit keinen anderen Einkommensarten verrechnet wird und vielmehr von diesen immer unabhängig bleibt, stärkt ein bGE die Solidarität unseres Gemeinwesens und die freie Entfaltung der Bürger.